Felix Krebs
Am nächsten Samstag wollen norddeutsche Burschenschaften in Hamburg über ihren zukünftigen Kurs debattieren. Als Refrenten sind u.a. ein ehemaliger Nazikader, braune Burschen aus Österreich und ein Christdemokrat geladen.
Nachdem sich beim letzten Burschentag in Eisenach der völkische, zur NPD hin offene, Flügel, nach jahrelangem Streit in der Deutschen Burschenschaft (DB) gegenüber dem konservativen Flügel, durchsetzten konnte, soll jetzt in Hamburg der neue Kurs mit einem Grundlagenseminar verfestigt werden. Die burschenschaftlichen Referenten kommen fast alle aus dem völkischen Flügel, der sog. Burschenschaftlichen Gemeinschaft. Allerdings gehören sowohl die gastgebende Burschenschaft, wie auch einige eingeladene norddeutsche Burschenschaften, nicht dem rechtsradikalen Flügel an. Dies zeigt, dass man trotz allem Streit und öffentlich erklärten Distanzierungen, hinter den Kulissen auch weiterhin mit braunen Bundesbrüdern eng kooperiert. Hintergrund
Seit Jahren ist die Deutsche Burschenschaft (DB), einer der größten schlagenden Verbände von Studentenverbindungen, politisch zerstritten. Seit der Gründung pflegt man als Grundsatz einen „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“, welcher bisher immer eindeutig völkisch-rassistisch, also nach Abstammung definiert wurde. Bursche konnte lange nur werden, wer „volksdeutsch“ aussah und das Vaterland sei umgekehrt überall dort wo „volksdeutsche“ Minderheiten leben. Für die DB war Deutschland deshalb auch immer schon größer als die BRD. In den letzten Jahren gab es insbesondere um das Abstammungsprinzip jedoch eine heftig geführte Debatte. Ein konservativer Flügel der DB möchte lieber einen Nationenbegriff, der sich ungefähr mit dem der „Leitkultur“ des reaktionären CDU-Flügels deckt. In den meisten Medien wird dieser Flügel fälschlicherweise als „liberal“ bezeichnet und damit die burschenschaftliche Selbstverortung kritiklos übernommen.
Auch Studenten mit migrantischer Herkunft sollen nach dessen Vorstellung Bursche werden können, sofern sie sich in Deutschland ordentlich assimilieren, eine deutsche Staatsangehörigkeit haben, ihre Herkunfts-Kultur weitgehend verleugnen und eine „deutsche“ Kultur, was immer das sein mag, verinnerlicht haben. Bier trinken, Mensuren schlagen, und möglichst auch geleistete Wehrdienste, gehören natürlich auch weiterhin zum burschenschaftlichen Prinzip.
Im letzten Jahr eskalierte der Streit im Vorfelde des jährlichen Burschentages, als die Burschenschaft der Raczecks (völkischer Flügel), einen asiatisch-stämmigen Burschen einer anderen Burschenschaft mittels „Arierparagraph“ ausschließen wollte. U.a. als Konsequenz dieser Eskalation beschloss die DB bundesweit Bildungsseminare unter dem Titel „Burschenschaftliches Ideengut und dessen Vermittlung“ für ihre Bünde zu veranstalten, die sich an Füxe, Burschen und inaktive Mitglieder wenden.
Braune Burschen referieren
Gastgebende Burschenschaft am 16. Juni ist die Burschenschaft Germania Königsberg zu Hamburg in der Heimhuderstraße, kommen sollen Burschenschafter der DB aus Hamburg, Braunschweig, Greifswald, Hannover, Kiel und Rostock.
Zum Thema „Forderungen der Ur-Burschenschaft und Verfassungswirklichkeit heute“ und „Burschenschaft und Europa“ sollen die Österreicher Bruno Burchart und Walther Sucher referieren. Beide sind Alte Herren der Burschenschaft Olympia Wien, welche zeitweise von den Behörden wegen Verstrickungen in rechtsterroristische Bombenanschläge aufgelöst wurde. Das renommierte „Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstands“ (DÖW) bewertet die Olympia bis heute als rechtsextremistisch. Walther Sucher, gleichzeitig Obmann eines Rings volkstreuer Verbände, kam 2006 in die Schlagzeilen des Nachbarlandes, weil er seine FPÖ-Kollegen beim Parteitag demonstrativ mit „Heil“ begrüßte. Das DÖW bezeichnet ihn als einen „führenden Rechtsextremisten in Wien“.
Zum Kernideologem der DB, dem „volktsumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ soll dann Carsten Engelhardt aus Bensheim vortragen. Er kommt aus der umstrittenen Heidelberger Burschenschaft Normannia und hat ein CDU-Parteibuch. Mit Neonazis hat die DB kein Problem, denn „Extremisten“ gäbe es in der DB gar nicht, sagte er 2010 der Frankfurter Rundschau. So dürfte er auch keinerlei Probleme mit der Hamburger Burschenschaft Germania haben, die den nächsten Referenten stellt. Martin Rosenau soll zu „Bedrohung der von der Burschenschaft erkämpften Freiheiten“ sprechen. Unter burschenschaftlicher Freiheit versteht insbesondere die Germania aus der Sierichstraße seit Jahren die freie Rede von Neonazis auf ihrem Burschenhaus, welche sie regelmäßig einlädt. (s.u.)
Den krönenden Abschluss der Referentenliste macht dann der ehemalige Nazikader aus inzwischen verbotenen Organisationen, Norbert Weidner. Der Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter kam im April bundesweit in die Schlagzeilen, weil er den NS-Widerstandkämpfer Dietrich Bonhoeffer verunglimpft hatte. Die Staatsanwaltschaft leitet daraufhin ein Ermittlungsverfahren ein, die FDP ein Ausschlussverfahren gegen Weidner, der der Partei 2001 beitrat. In Hamburg hielt Weidner mindestens bis 2009 wohlwollenden Kontakt zu dem Nazi-Autor André Busch und dessen Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg. Sowohl Busch als auch die Chatten finden seit Jahren Erwähnung in den Geheimdienstberichten des Hamburger Verfassungsschutzes. Weidner’s Thema in der Heimhuderstraße soll „Burschenschaft und mediale Wirklichkeit“ sein.
Hamburg: Kameraderie statt Abgrenzung zur extremen Rechten
In Hamburg sah man in burschenschaftlichen Kreisen auch jüngst keinerlei Notwendigkeit sich von extrem rechten Auswüchsen abzugrenzen: Im Januar war mal wieder die Burschenschaft Germania in die Schlagzeilen gekommen. Die WELT titelte in ihrer Printausgabe „NPD-Besucher bei Germania“ und präzisierte „Laut Senat waren der niedersächsische NPD-Vize und ein rechtsextremistischer Publizist bei der Burschenschaft zu Gast.“
In den folgenden Wochen gab es darüber eine intensive Diskussion in der Hamburger Verbindungsszene. Viele andere Verbindungen wollten nicht länger die neofaschistischen Umtriebe der Burschenschaft aus der Sierichstraße dulden und diese aus der „Vereinigung Hamburger Akademikerverbände Akademischer Bismarckausschuss“ (VHA) ausschließen. In der VHA sind verschiedene Verbände, Burschenschaften, Corps, Landsmann,- Turner-, und Sängerschaften zusammengeschlossen. Die Alten Herren der Hamburger DB-Burschenschaften, neben der Germania die Germania-Königsberg und Hanse-Alemannia, zusammengeschlossen in der „Vereinigung Alter Burschenschafter Hamburg“ (VAB) kamen dem jedoch zuvor und traten geschlossen aus der VHA aus.
Hier zeigte sich, dass den Hamburger DB-Burschenschaften Kameraderie mit extrem rechten Bundesbrüdern wichtiger ist, als eine klare Abgrenzung zu völkisch-rassistischem Gedankengut. Die VAB in Hamburg ist fest in Händen des völkischen Flügels der Burschenschaften. Der Vorsitzende, Germane Marko Werner, und der Schriftwart kommen beide von der Burschenschaftlichen Gemeinschaft. Norbert Weidner hat in der VAB ebenfalls eine Funktion. Auch die am Samstag gastgebende Burschenschaft Germania Königsberg fiel in der jüngsten Vergangenheit durch fehlende Abgrenzung nach rechts auf: 2009 und 2010 referierten im Haus der Burschenschaft Personen, wie Richard Melisch und Walter Marinovic, die zuvor auch schon bei der NPD aufgetreten waren. 2010 lautete ein Titel „Überfremdung und Islamisierung Europas“. Solche Vorträge dürften wunderbar in das Konzept eines „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffs“ der Burschen passen. Ob am kommenden Samstag auch Mitglieder der Königsberger erscheinen, die vor wenigen Jahren noch für den unionsnahen RCDS kandidierten und heute der Hamburger CDU angehören dürften, bleibt anzuwarten.