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Alternative für Deutschland in Hamburg: Frust statt Aufbruchsstimmung

Frank Behrmann 

Gerade einmal einen Monat ist es her, dass die wohlstands-chauvinistische und marktradikale Alternative für Deutschland (AfD) ihren von den Medien viel beachteten Gründungsparteitag abhielt. Seitdem überschlagen sich die Meldungen von ihrem vermeintlichen Siegeszug geradezu: fast täglich will sie weitere Tausend Mitglieder dazu bekommen haben, jeden zweiten Tag findet sich ein unkritischer Artikel über die Newcomer in einer der großen bundesweiten Zeitungen. Und doch kommt sie in den verschiedenen Umfragen bisher nicht über 2 bis 3 Prozent WählerInnenzuspruch hinaus.
Die „Mühen der Ebene“ machen der AfD mehr zu schaffen als es die eloquenten öffentlichen Auftritte ihres Führungspersonals erwarten lassen. Schon ist der Vorstand ihres Berliner Landesverbandes heillos zerstritten; der bayerische brach seine Mitgliederversammlung ab, und die Wahl des neuen Landesvorstands wurde für ungültig erklärt. Aber auch sein Hamburger Pendant kommt nicht so recht aus den Startlöchern. Ihr macht ihr Landesbeauftragter Jens Eckleben zu schaffen. Der hat nämlich eine politische Vergangenheit ganz rechts, was die Partei, um Anfeindungen zu entgehen, unbedingt vermeiden wollte.

Eckleben stammt aus der Partei Die Freiheit, deren Schwerpunkte Hetze gegen Moslems

und Ablehnung der Religionsfreiheit sind. Sie wurde von Rene Stadtkewitz, einem

einstigen Bezirksverordneten der Berliner CDU gegründet, der eine Moschee in seinem

Stadtteil nicht ertragen konnte. Und so stritt mensch sich mit der Pro

Deutschland-Bewegung und der NPD um das rechtsextreme WählerInnenpotential - bis die

AfD auftauchte und zahllose Freiheit-Mitglieder mit wehenden Fahnen zu der Erfolg

versprechenderen Neugründung abwanderten. Sie versuchen nun, ihre rassistischen

Standpunkte in der AfD zu platzieren. Unter ihnen auch Eckleben.

 

Eckleben und Co. sind nun der Anlass für einen ersten Parteiaustritt. Sigurd

Greinert, frisch für den Listenplatz 5 bei den Bundestagswahlen nominiert, trat den

Rückzug an. „Ich kann eine Partei nicht länger unterstützen, die es zulässt, dass

Mitglieder aus Parteien mit rechtspopulistischen Motiven unkontrolliert aufgenommen

werden.“ Eckleben und andere würden „von der Parteiführung ungehindert

islamkritische und meines Erachtens am rechten Rand fischende Blog-Einträge

verfassen“. (HA, 7.5.13) AfD-Vorstandssprecher Jörn Kruse kann demgegenüber keine

solchen Einstellungen im Hamburger Landesverband feststellen. Er wolle aber die

Blog-Beiträge Ecklebens „prüfen“.

 

Kruse selbst ist Politik-Professor an der Helmut-Schmidt-Universität und knobelt an

einer Optimierung der bürgerlichen Demokratie. Sein aktueller Vorschlag ist die

Einführung einer zweiten Kammer (neben Bundestag bzw. Bürgerschaft). Dieser

„Bürgersenat“ soll Regierungsentscheidungen kontrollieren. Auch er würde gewählt

werden; Mitglieder der „Politischen Klasse“ wären allerdings ausgeschlossen.

 

Mit dem Sammeln von Unterstützungsunterschriften für die Kandidatur zum Bundestag

setzte der Straßenwahlkampf für die AfD ein. Während ein Infostand in Wandsbek als

recht erfolgreich gewertet wird – nach AfD-Angaben wurden 150 Unterschriften

gesammelt – läuft es nicht überall so rund. So wurde auch versucht, auf dem

Osterstraßen-Fest Unterschriften zu sammeln. Ein total gefrusteter Eckleben

berichtet darüber auf Facebook: „Erfahrungen: ca. 30% der Vorbeilaufenden lehnen die

AfD rundweg ab, harmlos sind die, welche nur äußern, das kommt nicht in Frage,

andere plädieren für ´Sowas müsste man gleich mit der NPD zusammen verbieten

lassen´. Ca. 65-75% kennen die AfD nicht und interessieren sich für Politik

überhaupt nicht. Nur jeder ca. 3-5% sind interessiert und nehmen einen Flyer mit.

Nur jeder ca. 100. Gesprächspartner bleibt wirklich stehen und ist bereit, die

Partei mit einer Unterschrift und/ oder mit weiterem Flyerverteilen zu

unterstützen.“ „Man glaubt es kaum, wie wir teilweise bepöbelt wurden…“

 

Und Ecklebens missmutiges Fazit des Tages lautet, wenn „es uns nicht gelingt,

deutlich mehr Mitglieder zum aktiven Mitarbeiten im Straßenwahlkampf heranzuziehen,

… werden wir zur Bundestagswahl nicht antreten dürfen“.