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AfD formiert sich als Rechtsaußenpartei

www.scharf-links.de, Frank Behrmann

Programmatische Entwicklungen und „liberale“ Rücktritte
Der Bundessprecher der Alternative für Deutschland (AfD) Bernd Lucke gab die Schwerpunkte des Europawahlkampfs vor: Neben der Kritik am Euro und am EU-Zentralismus will die AfD Ressentiments gegen Einwanderer schüren und von ihnen profitieren. Mit der Propagierung eines traditionellen Familienbildes, mit dem die Ablehnung einer Gleichstellung Homosexueller einhergeht, wurde ein weiterer Schwerpunkt benannt, der ebenfalls auf WählerInnen des rechten Rands zielt.
Bei Demonstrationen in Stuttgart, die sich gegen einen neuen Schulplan richten, der unterschiedliche Lebensentwürfe gleichrangig nebeneinander stellen und sich für die Akzeptanz sexueller Vielfalt einsetzen möchte, demonstrierten Rechtsextreme und christliche FundamentalistInnen gemeinsam mit der AfD.
rassistisch, familialistisch und nationalistisch
Das am 2. März beschlossene Programm des Landesverbands Sachsen der AfD (1) – der rechteste LV der Partei – gibt weitere Aufschlüsse, wohin die Partei steuert.
Die AfD verlangt die Möglichkeit von Volksabstimmungen bei Neubauten von Moscheen mit Minarett. Stünde die AfD Sachsen zur grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit, würde sie akzeptieren, dass jede Religionsgemeinschaft die Tempel errichtet, die sie zur Ausübung ihres Kultes braucht. Und die Forderung betrifft explizit nur Moslems.
An dieser Stelle wird deutlich, dass Volksabstimmungen genutzt werden können, um Minderheiten ihrer Rechte zu berauben, ihnen den Schutz, den Gesetze ihnen bieten, zu entziehen. So angewandt, wie von der AfD vorgeschlagen, werden Volksabstimmungen von einem Instrument der Mitwirkung zu einem Werkzeug, um Konformität in der Gesellschaft zu erzwingen.
An den Grenzen sollen wieder dauerhaft Güter- und Personenkontrollen eingeführt werden. Dass das gegen EU-Recht verstieße und damit die EU in ihrer jetzigen Form zur Auflösung brächte, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die wiederkehrende Behauptung, man befürworte die EU, in der Partei umstritten ist. Viele Parteimitglieder vertreten als Ziel ein abgeschottetes Deutschland.
Jedoch dürfte diese Forderung im Kern darauf abzielen, eine Einwanderung nach Deutschland zu unterbinden. Eine „Masseneinwanderung in die Sozialsysteme“ wird schon seit Monaten von der AfD in aufwiegelnder Weise unterstellt. Demgegenüber wird die Partei nicht müde zu fordern, dass man sich die Einwanderer selbst aussuchen solle. Nur wer gebraucht werde, dürfe ´rein – Nützlichkeitsrassismus in reinster Form.
Die deutschtümelnde Forderung nach Quoten für deutschsprachige Musik im Radio zielt auf den rechten Rand der WählerInnenschaft, denn bei der Vielzahl an Radiosendern gibt es auch solche mit ausschließlich oder vorwiegend deutschsprachigem Angebot.
Interessant ist daran aber auch, dass die AfD hier staatliche Eingriffe ins Wirtschaftsleben fordert, denn Radiosender sind nichts anderes als Unternehmen – selbst die Öffentlich-Rechtlichen begreifen sich zunehmend so. Als neoliberale Partei ist die AfD ansonsten stets gegen Staatseingriffe in die Wirtschaft, zumindest da, wo sie den Lohnabhängigen oder SozialleistungsbezieherInnen zu gute kämen – so ist sie strikt gegen einen Mindestlohn.
Man plädiert für ein Wahlrecht, das Familien mit Kindern gegenüber Alleinstehenden bevorzugt. Hier kommt das tradierte Familienbild, dass die Partei verficht, zum Ausdruck: Klassische Familien (Vater, Mutter, Kinder) werden als das Ideal propagiert, andere Lebensentwürfe sollen demgegenüber diskriminiert werden.
Das allgemeine und gleiche Wahlrecht des Grundgesetzes wird mit dieser Forderung in Frage gestellt. Etliche AfDlerInnen haben Schwierigkeiten mit der Gleichheit aller WählerInnen an den Wahlurnen – Konrad Adams Artikel in der „Welt“, der einen Wahlrechtsentzug für EmpfängerInnen staatlicher Leistungen diskussionswürdig fand (2), ist breit bekannt geworden; und Adam ist einer der drei AfD-Bundessprecher.
Aufgrund dieser Tonlage rumort es mittlerweile bei den liberaleren Parteimitgliedern. Dagmar Metzger ist als Bundespressesprecherin zurückgetreten und will sich nur noch einer parteinahen Stiftung widmen. Der ehemalige Vorsitzende des Landesverbands NRW, Alexander Dilger, äußert sich auf seinem Blog zunehmend kritisch gegenüber der Entwicklung der Partei und gegenüber der Parteiführung. Auch das Mitglied des Bundesvorstands Michaela Merz hat scharfe Kritik am Satzungsentwurf geäußert. Sie erklärte jetzt in einem Brief an Lucke ihren Rücktritt – „wie von Ihnen erbeten“. (3) Erste Austritte hat es bereits gegeben – weitere könnten folgen.
Am 22. und 23. März wird in Erfurt der Bundesparteitag der AfD stattfinden. Das Europawahlprogramm soll beschlossen werden. Es kann aber gut sein, dass dessen Entwurf kurz vor Schluss nur kurz durchgewinkt wird, denn die AfD wird sich in erster Linie mit Satzungsfragen und Nachwahlen für den Bundesvorstand beschäftigen.
Der Satzungsentwurf sieht eine Stärkung der Parteiführung gegenüber den unteren Gliederungen vor. Der Bundesvorstand soll mehr Eingriffsmöglichkeiten in die Angelegenheiten regionaler Parteistrukturen bekommen. Und es soll künftig einen Vorsitzenden statt der bisherigen drei Sprecher geben. Bernd Lucke strebt die Alleinherrschaft in seiner Partei an!
 
 
(1)   Das Programm wurde bisher nicht öffentlich zugänglich gemacht, deshalb werden seine Forderungen nicht im Wortlaut zitiert, sondern nach der Presseberichterstattung wieder gegeben.
(2)   http://www.welt.de/print-welt/article159946/Wer-soll-waehlen.html
(3)   Brief vom 8.3.14 auf der Facebook-Seite von Merz (abgerufen am 9.3.)

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