Vor 34 Jahren wurde Gülüstan Avcıs Verlobter Ramazan von rechten Skins brutal ermordet. Ein Gespräch über Erinnerung und Gerechtigkeit.
taz: Frau Avcı, wir sitzen hier nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem eine Gedenktafel an Verlobten erinnert. Was bedeutet Ihnen dieser Ort?
Gülüstan Avcı: In diesem Jahr konnte ich nicht so oft kommen, weil ich operiert wurde. Aber normalerweise bin ich regelmäßig hier und setze mich auf die Bank neben der Tafel. Und manchmal rede ich dann mit Ramazan.
Wie erinnern Sie sich an ihn?
Ich habe viele Erinnerungen, wenn ich die alle erzählen würde, käme ein Roman dabei heraus. Er war ein guter Mensch, hatte viele gute Eigenschaften. Er war gerade erst 26 Jahre alt geworden, aber für sein Alter war er Frauen gegenüber schon ein richtiger Gentleman.
Sprechen Sie darüber auch mit Ihrem gemeinsamen Sohn?
Natürlich. Ich war im sechsten Monat schwanger und hatte so starke Zahnschmerzen, dass wir in die Notklinik nach Eppendorf fahren mussten. Aber wir waren zu der Zeit nicht so flüssig und konnten uns kein Taxi leisten. Wir mussten mit dem Bus fahren und der stand schon an der Haltestelle. Ich konnte aber nicht dahin laufen, weil ich halt schwanger war. Und Ramazan ist dann schnell dahin gelaufen und hat den Busfahrer gebeten, auf mich zu warten. Das hat der dann auch gemacht. Das habe ich neulich zum Beispiel meinem Sohn erzählt. Und er hört immer interessiert zu, wenn ich von seinem Vater erzähle, den er ja nie kennengelernt hat.
Andreas Speit Marthe Ruddat