Soll schon wieder Kritik an den Sicherheitsbehörden behindert werden?
Schon vor Wochen meldete das "Hamburger Bündnis gegen Rechts" anlässlich des Jahrestages des zufälligen Auffliegens der Nazi-Terrorstruktur "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) eine Demonstration durch die Hamburger Innenstadt an. Das Motto lautet: "Rassismus entgegentreten, Faschismus bekämpfen, Verfassungsschutz auflösen". Die Route am 3. November 2012 soll bewusst an der Innenbehörde vorbei führen, in der auch der Hamburger Verfassungsschutz residiert, denn im Laufe des letzten Jahres wurde mehr als deutlich, dass die Mordserie des NSU an 10 Menschen nur möglich war, weil die Sicherheitsbehörden, allen voran der Inlandsgeheimdienst, eklatant versagt, wenn nicht sogar eine effektive Ermittlungsarbeit behindert haben.
Noch vorgestern wurde unserer Anmelderin auf Nachfrage mitgeteilt, dass es bezüglich der geplanten Route am Sitz des Verfassungsschutzes vorbei keine Bedenken gäbe. Gestern rief nun Herr Wunder von der Versammlungsbehörde an und behauptete es gäbe nach wochenlangem Schweigen plötzlich "neue Erkenntnisse des Staatsschutzes" weshalb die Demonstration umgeleitet werden müsse.
Es ist eine sehr durchsichtige Taktik der Versammlungsbehörde, im letzten Moment Auflagen zu erlassen, in der Hoffnung die Anmelder würden sich dadurch entmutigen lassen oder keine Möglichkeit sehen, so kurzfristig ihr Anliegen noch vor Gericht einzuklagen. Wir bestehen auf unsere Route! Der Verfassungsschutz ist die richtige Adresse, wenn es um die lückenlose Aufklärung der Mordserie des NSU geht. Wir werden unser Recht nötigenfalls auch per Eilantrag vor Gericht einklagen. Die Versammlungsbehörde sollte eigentlich wissen, dass das HBgR schon häufiger vor Gericht gewonnen hat: Wir erinnern an den 1. Mai 2008, als uns die Versammlungsbehörde nicht in Barmbek, dem damaligen Aufmarschgebiet der Neonazis, demonstrieren lassen wollte.
Wenn sich die Innenbehörde des polizeilichen Staatsschutzes bedient, um den Verfassungsschutz vor unliebsamer Kritik zu schützen, so zeigt dieses einmal mehr, dass die Sicherheitsbehörden auch in Hamburg aus ihrem Versagen im vergangenem Jahr nichts gelernt haben. Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland sagte gestern anlässlich des traurigen Jahrestages, "dass wir es mit dem größten Sicherheitsskandal seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu tun haben". Und solche oder ähnliche Worte sollen nun am 3. November nicht den richtigen Adressaten erreichen?
Dabei hätte auch der Staatsschutz allen Grund zu schweigen, statt nebulöse "neue Erkenntnisse" in die Welt zu setzen. Auch der Staatsschutz führt gut bezahlte Neonazis als V-Leute. Der Berliner Staatschutz führte z. B. mehr als 10 Jahre den NSU-Unterstützer Thomas S. als Spitzel VP 562. Er war nicht nur ein enger Freund von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt, sondern besorgte dem Trio auch Sprengstoff. Der Staatsschutz verheimlichte seinen V-Mann, als die Untersuchungsausschüsse zum NSU schon lange arbeiteten. Erst auf gezielte Nachforschungen gab die Polizei die jahrelange Tätigkeit von Thomas S. zu. Solange Staatsschutz, Verfassungsschutz und andere Sicherheitsbehörden weiter verharmlosen, leugnen und vertuschen, ist es nicht nur unser Recht, sondern unsere demokratische Pflicht diese Praktiken auch vor Ort zu kritisieren! Denn es ist eine der Lehren aus dem Faschismus die Macht der staatlichen Sicherheitsorgane zum Schutz der Menschen zu kontrollieren und zu begrenzen. Und wir fügen hinzu: auch aufzulösen, wenn eben diese Sicherheitsorgane zur Gefahr werden.
Hamburger Bündnis gegen Rechts