Offener Brief
betreffend den Verbändekommers in Ihrem Hause an die Handwerkskammer Hamburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
am Samstag dem 28. November 2009 soll in Ihrem Hause der Verbändekommers der Vereinigung Hamburger Akademikerverbände – Akademischer Bismarckausschuss (VHA) stattfinden. Die VHA ist das örtliche Pendant zum Convent Deutscher Akademikerverbände, einem Zusammenschluss vieler Dachverbände von Studentenverbindungen, die auch in Hamburg vertreten sind.
Nach unseren Informationen gehören fast alle Hamburger Studentenverbindungen zur VHA. Insbesondere die schlagenden Korporationen aus dem Hamburger Waffenring (HWR) luden in den vergangenen Jahren zu den Feiern ein.
Die im HWR versammelten Korporationen zeichnen sich alle durch einen Exklusivitätsanspruch aus, welcher einem undemokratischem Elitedünkel nicht fern ist. Grundprinzip dieser Korporationen ist die Bildung von Seilschaften, um akademischen Nachwuchs, am allgemeinen Wettbewerb vorbei und unabhängig von tatsächlicher Qualifikation, in Führungspositionen zu lancieren („Können ist gut, Kennen ist besser“ ist ein Motto jener Korporationen). Von diesen Karrierechancen ist mindestens die Hälfte aller Studierenden ausgeschlossen, denn Frauen dürfen in den Verbindungen des HWR nicht Mitglied werden. Einige weit rechts stehende Korporationen ermöglichen darüber hinaus auch nur „Deutschstämmigen“ die Aufnahme.
Besonders bedenklich stimmt uns, dass einige extrem rechte Verbindungen aus dem HWR an dem Kommers teilnehmen möchten, allen voran die Burschenschaft Germania Hamburg.
Die Rechtslastigkeit dieser Verbindung ist seit Jahren in der Öffentlichkeit bekannt. Mehrere Mitglieder der Germania waren in den letzten Jahren für die NPD aktiv. Die Handwerkskammer machte es 2006 der VHA zur Auflage, „dass die Hamburger Burschenschaft ‚Germania’ weder mit Aktiven noch mit so genannten ‚Alten Herren’ an dem Kommers teilnehme und dass keine Verbindungen (namentlich Burschenschaften) und keine Einzelpersonen mit radikalem bzw. undemokratischem (extremistischem) Gedankengut zu dem Kommers zugelassen oder an ihm teilnehmen werden“, damit der Verbändekommers in Ihrem Hause stattfinden konnte. Auch letztes Jahr musste die VHA die Germania von ihrem Verbändekommers im Logenhaus wieder ausladen. An der politischen Richtung der Burschenschaft Germania, wie auch einiger anderer Burschenschaften, hat sich bis heute nichts geändert: In den Vorstand der Vereinigung Alter Burschenschafter“ wurde mit Norbert Weidner in Hamburg letztes Jahr ein ehemaliger Funktionär der verbotenen, militanten FAP gewählt. Die Burschenschaft Germania machte sowohl dieses, wie auch in den letzten Jahren Veranstaltungen in ihrem Haus mit Referenten, welche für die NPD publizistisch und/oder als Redner tätig sind. Auch dem Verfassungsschutz ist laut NDR-Info bekannt „dass es Kontakte von eindeutig erkannten Rechtsextremisten zur Germania gibt.“
Die Landsmannschaft Mecklenburgia Alte Rostocker, nahm aus „Solidarität“ mit den ausgeschlossenen Nazis von der Germania letztes Jahr ebenfalls nicht am Verbändekommers teil. Seit dem Frühjahr 2009 veranstaltet die Mecklenburgia in ihrem Haus regelmäßig Vorträge mit Referenten aus der so genannten Neuen Rechten, zu denen auch Personen der neofaschistischen Szene Hamburgs kommen. Am 26. Mai referierte dort Felix Menzel, den die Bildzeitung als „Neonazi“ bezeichnete. Menzel geriet in die Hamburger Schlagzeilen, weil er die Junge Union beriet, wie man Veranstaltungen des politischen Gegners effektiv stören kann. Daniel Junker, Vorstandsmitglied der Mecklenburgia, referierte schon 2003 zum Thema „Völkische Religiosität in der Weimarer Republik“ und zur Germanischen-Glaubens-Gemeinschaft, deren gleichnamige Nachkriegsorganisation bis vor kurzem von dem verstorbenen Neonazi Jürgen Rieger geleitet wurde. Hanno B., ein weiterer Alter Herr der Mecklenburgia, wurde vor Jahren wegen seiner neofaschistischen Umtriebe namentlich im Hamburger Verfassungsschutzbericht aufgeführt.
Das Corps Irminsul läd ebenfalls zu dem Verbändekommers in Ihrem Hause und fiel in der Vergangenheit wegen seiner Rechtslastigkeit auf. Im Juni 2005 lud das Corps mit Konrad Löw, einen intellektuellen Rechten, in den Hamburger Ratsweinkeller zu dem Vortrag „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ ein. Löw, Interviewpartner der Nationalzeitung, hatte zuvor einen gleichnamigen Aufsatz für die Bundeszentrale für politische Bildung geschrieben. Aufgrund der „antijüdischen Klischees“ (Die Welt) distanzierte sich die BfP nachträglich „aufs Schärfste“ von dem Artikel und ließ die Restauflage einstampfen. Die Abgeordneten Andreas Dressel (SPD) und Christian Maaß (GAL) erklärten zu dem Auftritt von Löw, dass die Würde des Rathauses gewahrt sein müsse und selbst im Keller kein Platz für extremistische Töne sei. Neben vielen Referenten aus der Neuen Rechten referierte beim Corps Irminsul auch schon Reinhold Oberlercher, einer der widerlichsten Antisemiten Hamburgs. Eine Schrift von ihm stachelt laut Bundesgerichtshof zur Volksverhetzung auf. Oberlercher kandidierte 2005 für die NPD, ist regelmäßiger Teilnehmer an Naziaufmärschen in Hamburg und war für den gewalttätigen NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2008 in Barmbek als Redner angekündigt. Soviel nur zu den rechtesten Hamburger Verbindungen die an dem Festkommers in ihrem Hause teilnehmen wollen.
Elitedünkel und Vetternwirtschaft, Diskriminierung von Frauen und Nichtdeutschen, das Pflegen von ritualisierten Alkoholexzessen und Körperverletzungen, sowie eine offene Flanke zu neofaschistischen Kreisen sind mit einer modernen, demokratischen Universität, welche allen Studierenden, unabhängig von Herkunft und Geschlecht offen steht, unvereinbar. Wir fordern Sie deshalb hiermit höflich auf, den Veranstaltern des Verbändekommerses keine Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang möchten wir daran erinnern, dass sich im März 2006 ehemalige SS-Soldaten heimlich im Restaurant der Handwerkskammer trafen. Damals erklärte Ihr Sprecher Peter Haas "Wir distanzieren uns ganz klar von solchen Veranstaltungen, wollen Gruppen wie diese ganz sicher nicht im Haus."
Sollte eine kurzfristige Kündigung nicht möglich sein, dann bitten wir Sie, entsprechend ähnlich gelagerten Fällen in anderen Städten, die eingenommene Miete ehemaligen Verfolgten des Naziregimes, z.B. der Jüdischen Gemeinde oder der Rom und Cinti Union, zur Verfügung zu stellen.
Wir hoffen auf eine baldige Antwort
und verbleiben mit freundlichen Grüßen,
Hamburger Bündnis gegen Rechts