Der Hamburger Fraktionsvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) Dr. Alexander Wolf möchte am kommenden Wochenende beim Landesparteitag auch gerne zum Landesvorsitzenden gewählt werden. Der aktuelle Amtsinhaber Dr. Bernd Baumann ist inzwischen in den Bundestag eingezogen und wird wahrscheinlich sein Amt abgeben. Im Hintergrund gärt es aktuell, denn auch der ehemalige Schillpartei-Politiker Dirk Nockemann möchte gerne an die Landesspitze. Ein rechtsradikales Liederheft welches auch Texte aus dem Nationalsozialismus enthält und von Wolf herausgegeben wurde, könnte dem Rechtsanwalt jetzt allerdings zum Verhängnis werden.
Nazilieder als Reaktion auf die Befreiung vom Faschismus
„Schlachtruf – Nationale Lieder“ heißt das Heft, auf dem Umschlag prangt ein Adler, herausgegeben hat es Wolf 1994 anlässlich des 49. Jahrestages des Kriegsendes. Es enthält u.a. das Lied „Vorwärts! Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren“ dessen Text von NS-Studentenführer Baldur von Schirach stammt. Das Lied wurde nach Kriegsbeginn in den Marsch der „SS-Panzerdivision Hitlerjugend“ (HJ) integriert. Und es ist in Deutschland laut dem Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen nach § 86 Strafgesetzbuch wegen der symbolhaften Bedeutung welche das Lied für die HJ hatte verboten. Ebenfalls in dem Wolf´schen Heft enthalten sind die HJ-Lieder „Rebellen“ und „Nun lasst die Fahnen fliegen“.
Die interne Veröffentlichung war keine unbedarfte Jugendsünde, Wolf hat sein Erstes juristisches Staatsexamen in dem Jahr abgelegt und war sich der Problematik der Strafverfolgung von NS-Propaganda durchaus bewusst. So griff er zu einem bei Rechten beliebten Trick: Er behauptete im Vorwort das Liederheft diene keinen „kommerziellen Zwecken“, trage nur „wissenschaftlichen Charakter“ und bezwecke „staatsbürgerliche Aufklärung“. Trotzdem machte er aus seiner geschichtsrevisionistischen Sicht keinen Hehl. „’Der Schlachtruf’ soll einen Beitrag liefern zu Wut, Trauer, Scham und Entsetzen angesichts der nun 50 Jahre zurückliegenden bedingungslosen Kapitulation und aufrufen zu einem entschlossenen ‚Nie wieder’!“ schrieb Wolf. Letztere Parole muss als eindeutige Bedrohung aufgefasst werden, denn sie bedeutet zu Ende gedacht, dass Deutschland nie wieder einen verbrecherischen Angriffskrieg verlieren dürfe.
Seit 30 Jahren im schwarz-braunen Milieu
Der ursprünglich aus der DDR stammende Wolf begann 1987 sein Jurastudium in München und schloss sich dort der extrem rechten „Burschenschaft Danubia“ an. Diese gehört seit mindestens den 1960er Jahren zu den treibenden Kräften einer rechten Intellektualisierung im deutschsprachigem Raum, bewegte sich früher in der Nähe der NPD, später der Republikaner und heute der AfD, war jedoch immer bemüht möglichst wenig Anlass für eine Überwachung durch den Verfassungsschutz zu bieten. Die Danubia gehört dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) an und zählte in den letzten Jahren zu den Bünden, welche die DB auf deutlichen Rechtskurs brachten und dafür auch eine zunehmende Isolierung und Verluste von anderen Mitgliedsbünden in Kauf nahmen. Auch in der aktuellen Selbstdarstellung der Danubia bekennt sich diese „zur deutschen Kultur- und Volksgemeinschaft“. Volksgemeinschaft ist ein eindeutig ns-belastetes Unwort und wird heute nur von der NPD und ähnlichen Organisationen benutzt. Auch wenn Danube Wolf schon länger in Hamburg wohnt, so spielt er in seiner Danubia eine wichtige Rolle. Das Verbindungshaus der Burschenschaft wird durch einen „Wohnheimverein von Fäustle e.V.“ getragen, der 2009 neu gegründet wurde bis heute seinen Sitz in Hamburg hat. Wolf war Mitbegründer und Schriftwart des Vereins, Vorsitzender wurde ein Alter Herr, der sowohl Danube, wie auch Mitglied der rechtsextremistischen „Hamburger Burschenschaft Germania“ ist. Im Dezember 2016 schied Wolf aus beruflichen Gründen aus dem Vorstand aus, versicherte jedoch, „den Verein in allen rechtlichen Fragen zu beraten und bei der Korrespondenz behilflich zu sein.“
Wegen des Auftritts von rechtsextremistischen Referenten in dem von Wolf mitverwalteten Burschenhaus und der Nähe zum militanten Rechtsextremismus wurde die Aktivitas (die aktiven Studenten) der Danubia 2012 erstmals zum Beobachtungsprojekt des bayrischen Verfassungsschutzes. 2015 wurde die Beobachtung erneuert und der Geheimdienst präzisierte nun, dass auch einige „Alte Herren“ dem Beobachtungsauftrag unterlägen.
Schon 2012 setzte eine interne Diskussion in der Danubia zum Umgang mit dem Rechtsextremismus und der attestierten Verfassungsfeindlichkeit ein. Wolf vertrat 2012 die Position, dass man sich durch den Verfassungsschutz nicht vorschreiben lasse, welche Referenten auf das Haus geladen werden dürften. In burschenschaftlichen Kreisen firmieren diese Diskursangebote unter „akademische Freiheit“, bei der Danubia auch unter dem Stichwort „Herrschaftsfreier Dialog“. In einer gleichnamigen Rubrik wird auf der Danuben-Homepage auch eine lange Liste von rechten bis ganz rechten Referenten geführt. Die Danubia übernahm anscheinend Wolfs Argumentation, denn auf der Homepage ist aktuell zu lesen „Die akademische Freiheit verteidigen wir so auch gegen autoritäre Innenminister und politische Kräfte, die sie zu unterminieren versuchen.“ Eine Abgrenzung zur militanten Naziszene hingegen, sei eher eine kulturelle Frage, so Wolf 2012. Der interne politische Diskurs über Gewalt dürfe jedoch in der Danubia ebenso wenig ausgeschlossen werden, wie der mit neofaschistischen Ideologen.
Noch aus Wolfs Studentenzeit stammt seine enge Freundschaft zu dem Sohn des ehemaligen Vorsitzenden der „Deutschen Volksunion“ (DVU) und Herausgeber der „Nationalzeitung“ Gerhard Frey senior. Gerhard Frey junior war selbst in der rechtsextremistischen DVU tätig und wurde zeitweilig als Nachfolger des Multimillionärs gehandelt. Wolfs Studienfreund kandidierte 1989 zur Europawahl und war damals im Bundesvorstand der Partei sowie im Landesverband Bayern und in der Leitung des Frey-Verlags tätig. Als der Senior starb vermachte sein Sohn Alexander Wolf eine scharfe Schusswaffe aus dem Erbe seines Vaters.
Engen Kontakt hatte Wolf auch zu den Republikanern (REP), genauer gesagt zu dem „Republikanischem Hochschulverband“ RHV, deren Mitbegründer er 1989 war und dessen Gründung im Haus der Danubia stattfand. Schon 1990 verließ er diesen jedoch, rechtzeitig bevor 1992 die geheimdienstliche Beobachtung der REP begann. Eine Befürchtung welche Wolf auch bezüglich der AfD hegt, trotz eigenem Beitrags für eine weitere Rechtsentwicklung der Partei. Über den RHV bzw. seine Danubia hatte Wolf ebenfalls schon sehr früh Kontakt zur neurechten Zeitung „Junge Freiheit“ (JF), welche damals noch deutlich radikaler war. Er war Gastautor und Interviewpartner der JF und leitete den 1991 gegründeten JF-Arbeitskreis im „Jungkonservativen Club“ in München. Und so verwundert es wenig, dass Wolf auch letztes Jahr bei der Feier zum Jubiläum „30 Jahre Junge Freiheit“ auftauchte.
Deutschtumsaktivitäten in der Familie
Auch im Ausland pflegte Wolf seine burschenschaftlichen Kontakte. Mitte der 1990er Jahre machte er ein Auslandspraktikum in Namibia, der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika. Laut Hamburger Abendblatt war er Mitglied im sogenannten „Waffenring Windhoek“, dem Zusammenschluss Alter Herren verschiedener schlagender Verbindungen, die sich bis heute in Namibia treffen. In dem Waffenring traditionsbewusster, deutscher Weißer war auch Wolfs Schwiegervater Ralph Schröder tätig. Der Diplomingenieur stammte aus der Burschenschaft „Thuringia Braunschweig“ und war im Dachverband DB zuständig für Volkstumsarbeit sowie bis zu seinem Tod Vorsitzender des rassistischen „Hilfskomitees Südliches Afrika“ (HSA). Dieses wurde 1967 aus dem Umfeld der NPD gegründet um Weiße in dem Apartheidsregime in Südafrika gegen die zunehmende internationale Boykottbewegung zu unterstützen. Im Jargon des HSA hieß dieses „Deutsche in Südafrika – Das Überleben sichern“ bebildert mit einem bewaffneten Reiter. Zuletzt geriet das HSA durch Kontakte zum rechtsterroristischen NSU in die Schlagzeilen.
Auch Wolfs Schwiegermutter war Vorsitzende einer Organisation mit Bezug ins südliche Afrika. Die ehemalige Vizevorsitzende der „Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung“ (OMV) in der schleswig-holsteinischen CDU engagierte sich zusätzlich im „Traditionsverbandes ehemaliger Schutz- und Überseetruppen e.V.“ Der Verein setzt sich laut Satzung für die „Korrektur der wahrheitswidrigen Darstellungen“ der offiziellen Geschichtsschreibung ein. Von Vorsitzender Ulla Schröder gibt es eindeutig rassistische und geschichtsrevisionistische Aussagen und Artikel, darunter aus dem rechtsextremistischem Sammelband „Deutsche Annalen 2005“. Nach Befreiung Südafrikas von dem Apartheidsregime engagierten sich beide Schröders und bzw. ihre Vereine für die Volkstumsarbeit der deutschen Minderheit in Namibia und förderten dort vor allem „Deutsche Schulen“, welche das Erbe der weißen Bevölkerung hochhalten sollen.
In Hamburg sitzt Wolf übrigens im Schulausschuss der Bürgerschaft und fällt durch kritische Anfragen zur bestehenden Lehrerfortbildung und die Forderung nach mehr Elitenbildung und weniger „Gleichmacherei“ an angeblichen „Einheitsschulen“ auf. Andere politische Schwerpunkte sind sein Kampf gegen „Gender, Gaga, Gutmenschentum“ und eine behauptete 68er Ideologie. Gegen politische Gegner, wie Ralf Stegner (SPD) geht er mit der Fraktion auch schon mal mittels Strafanzeige wegen unterstellter „Bürgerkriegsrethorik“ vor.
Wolfs Ehefrau Dörten Schröder ist ebenfalls für die Hamburger AfD aktiv. Sie ist Deputierte der Partei in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Praktisch, da sie Geschäftsführerin eines Hamburger Immobilienunternehmens ist, welches vorher ihr Vater führte.
Auch in Hamburg burschenschaftlich aktiv
Zu Mitgliedern der seit mehreren Jahren durch den Verfassungsschutz beobachteten, Hamburger Burschenschaft Germania, pflegt Wolf ebenfalls Kontakte, wie auch zu anderen „Waffenbrüdern“ aus Schlagenden Verbindungen. Die Alten Herren aus verschiedenen Burschenschaften treffen sich in Hamburg regelmäßig in der „Vereinigung Alter Burschenschafter“ (VaB), auch wenn sie ursprünglich nicht in Hamburg studierten und aktiv wurden. Die Hamburger VAB wurde in den letzten Jahren personell stark von der Germania und Norbert Weidner gesteuert. Bis 2012 war Weidner Schriftwart der VaB Hamburg, dann gab es einen Skandal um seine neonazistische Vergangenheit und aktuelle, strafrechtlich relevante Äußerungen. In der DB spielte Weidner bundesweit jahrelang eine Rolle als rechter Strippenzieher und war mehrere Jahre Schriftleiter des Verbandsorgans „Burschenschaftliche Blätter“ (BBl). Der Hamburger Verfassungsschutzbericht erwähnte ihn in seinem Bericht 2014 im Abschnitt über die rechtsextremistische Germania und auch als Beispiel für die bei einigen Burschenschaftern „offenbar tief verwurzelte unkritische Haltung zum Unrechtsstaat des ‚Dritten Reiches’“. In Hamburg lud Weidner früher regelmäßig zu den Stammtischen der VaB ein. Und Alexander Wolf kam schon 2008 wie ein Foto mit ihm und Weidner in trauter Runde belegt. Natürlich warb Wolf als er 2015 für einen AfD-Sitz in der Bürgerschaft kandidierte auch im burschenschaftlichen Spektrum. Im Wahlkampf hatte Wolf gegenüber dem Fernsehen behauptet, dass die „Ideologie des Multi-Kulti“, Einwanderung um jeden Preis fördere um den Nationalstaat aufzulösen. Solche Sätze kommen gut an im rechten Spektrum und so wurde Wolf, trotz eines eigentlich hoffnungslosen Listenplatz Neun, mittels Stimmenkumulierung in die Bürgerschaft gewählt. Stolz präsentierte sich der Danube anschließend auch in den BBl als neuer Abgeordneter.
Vor dem geschilderten biografischen Hintergrund erscheint die Veröffentlichung der nationalen Liedersammlung „Schlachtruf“ durch Alexander Wolf kein einmaliger Ausrutscher aus dem Jahr 1995 zu sein, sondern fügt sich in einen völkisch-nationalistischen Lebenslauf passend ein. Mit einem Landesvorsitz oder dem schon bestehenden Fraktionsvorsitz, neben dem noch Ko-Vorsitzenden Prof. Jörn Kruse, dürfte diese Vita jedoch selbst in der Hamburger AfD unvereinbar sein.