Pressemitteilung des Hamburger Bündnis gegen Rechts
Am zweiten Tag des Prozess gegen Neonazi Stephan Kronbügel wegen eines Sprengstoffanschlags auf dem belebten S-Bahnhof Veddel am 17. Dezember 2017 gab es eine brisante Überraschung. Telefonisch hatte sich die Zeugin S. B., eine Beamtin aus dem Hamburger Umland, bei Gericht gemeldet und erschien dann am Nachmittag um ihre Aussage zu machen.Sie belastete sowohl den Angeklagten, wie auch die Ermittler schwer.
Die 42-Jährige gab an Kronbügel seit 2005 zu kennen und hat zwei Kinder von ihm. Sie sei selber früher auf Rechtsrock-Konzerte gegangen und schilderte, dass der Angeklagte bis heute neonazistische Ansichten habe, Adolf Hitler aus dem Gedächtnis zitieren können und alle Ausländer vergasen wolle. Außerdem schilderte sie an konkreten Beispielen seine hohe Gewaltbereitschaft und seinen ständigen Umgang mit illegalen Sprengstoffen. Er sei eine tickende Zeitbombe. Wegen seiner Gewalttätigkeiten, auch gegen sie, habe die Zeugin eine Unterlassungsverfügung beim Jugendamt erwirkt, damit Kronbügel sich ihr und den Kindern nicht mehr nähern dürfe. Im Juni 2017 habe sie der Angeklagte dann trotzdem aufgesucht und ihr gesagt, er werde eine Bombe platzen lassen. Auf Nachfrage ihrerseits hätte Kronbügel gesagt, er würde „Polenböller“ zusammenbinden und zur Explosion bringen. Die Zeugin berichtete weiterhin, dass sie schon damals ihrem zuständigen Jugendamt über diese Drohungen Meldung erstattet habe. Diese Warnungen sind allerdings wohl nicht weiterverfolgt worden. Als S. B. dann im Dezember 2017 durch die Medien erfuhr, dass Kronbügel seine im Juni angekündigte Tat umgesetzt hatte, bekam sie erst Recht Angst und wandte sich an die örtliche Polizeiwache um dort dem Beamten C. ihr Wissen mitzuteilen. Von dem Beamten sei sie jedoch abgewimmelt worden.
Diese Aussagen lassen die Ermittlungsarbeit in einem sehr schlechten Licht erscheinen. Die Zeugin warnte vor einem Anschlag Kronbügels und bestätigte die aktuell anhaltende neonazistische Gesinnung des Angeklagten. Die Hamburger Polizei hatte sich jedoch früh festgelegt, dass der Veddeler Attentäter „nur noch“ der Trinkerszene angehören würde. Noch im Januar antwortete die Polizei via Hamburger Senat auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Schneider (LINKE) „Erkenntnisse auf eine Motivation zur Straftat im Sinne der Fragestellung (gefragt war nach rechter Motivation) liegen derzeit nicht vor.“ Diese Einschätzung wurde erst im April vorsichtig revidiert.
Vor dem Hintergrund der Aussagen der Zeugin S.B. ergeben sich einige Fragen: Informierte das Jugendamt, bei dem Frau B. im Sommer 2017 Meldung machte, sofort spätestens aber nach dem Anschlag die Polizei? Warum erstattete der Polizeibeamte C. nicht sofort Meldung bei den Hamburger Behörden? Warum ermittelte die Polizei anscheinend nicht im familiären Umfeld des Angeklagten und befragte schon längst S.B. als Zeugin? Warum legte sich die Polizei bei einem ehemals organisierten Neonazi, der einen neonazistischen Totschlag und diverse andere Gewalttaten begangen hatte, frühzeitig auf einen unpolitischen Hintergrund fest?
Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts: „Die bisher geschilderten Umstände lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Man wollte bei der Hamburger Polizei und Staatsanwaltschaft trotz aller Indizien erst sehr spät in Richtung eines neonazistischen Anschlags ermitteln. Dass ist umso erschreckender, weil der Anschlag in einem aufgeheizten, rassistischen Klima stattfand und weitere Anschläge durch Neonazis auch in Hamburg nicht ausgeschlossen werden können.“ Der Hamburger Senat, welcher sich gerade wohlfeil bei der Familie Tasköprü für die einseitigen Ermittlungen beim NSU-Mord an dem Hamburger Kaufmann Süleyman Tasköprü entschuldigte, sollte der Entschuldigung sofort Taten folgen lassen. Sowohl im Falle Tasköprü durch die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, wie auch durch vollständige Aufklärung der skandalösen Ermittlungen im Falle des Veddeler Bombenanschlags.
In den nächsten Tagen wird es einen Internet-Blog von AntifaschistInnen geben, welcher regelmäßig über den Prozess berichtet.
Hamburger Bündnis gegen Rechts