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Pressemitteilungen

PM: Neue Meldestelle Rechtsextremismus - Mehr Propaganda als Expertise?

Mit dem Thema Rechtsextremismus hat die Polizei seit Monaten ein Imageproblem, zu zahlreich sind die Fälle von rassistischen und neonazistischen Vorfällen in den eigenen Reihen. Auch in Hamburg gibt es in Neugraben eine Polizeiwache aus der heraus vertrauliche Personaldaten an das Netzwerk NSU 2.0 weitergeleitet wurden. Nun bliesen Polizei und Innenbehörde am 10. November zur Charmingoffensive und präsentierten der Öffentlichkeit eine neue „Zentrale Hinweisaufnahme Rechtsextremismus“ (ZHA-R) bei der Bürger*innen rechte Vorkommnisse in ihrem Umfeld melden können.
In der eigens einberufenen Pressekonferenz behauptete Innensenator Andy Grote (SPD), dass nun „erstmals eine zentrale Kontakt - und Ansprechstelle für jede Art von Hinweisen auf radiales, rechtsradikales Gedankengut, Gesinnung, Einstellungen“ in Hamburg starten würde. Dabei gibt es schon seit mindestens 10 Jahren ein „Hinweistelefon Rechtsextremismus der Polizei“ angesiedelt beim LKA, Abteilung Staatsschutz, nur die Durchwahl hat sich nun geändert. Politisch bedenklicher ist jedoch, dass der Senator das „Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus“ (MBT) der Stadt Hamburg vollkommen unter den Tisch fallen ließ.

Wer hat die nötige Sensibilität?
„An das Mobile Beratungsteam Hamburg können sich Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen wenden, wenn sie mit Vorfällen konfrontiert sind, die einen rassistischen, rechtsextremen oder antisemitischen Hintergrund haben“, heißt es in der Selbstdarstellung des MBT. Die jetzt eingerichtete polizeiliche ZHA-R wirbt mit: „Hamburgerinnen und Hamburger, die in ihrem Umfeld Beobachtungen machen, die auf rechtsextremistische Verhaltensweisen und Einstellungen schließen lassen, können fortan die Polizistinnen und Polizisten der Zentralen Hinweisaufnahme beim LKA Hamburg kontaktieren.“ Offensichtlich liegt hier eine gewisse Doppelstruktur, wenn nicht gar ein Konkurrenzverhältnis vor.

Wer in seinem persönlichen Umfeld, in der Familie, im Berufsleben in der Nachbarschaft oder im Sportverein auffällige Beobachtungen macht, bewegt sich auf einem sensiblen Terrain und wird sich eher nicht an einen Geheimdienst oder eine Staatsschutzstelle der Polizei wenden, sondern lieber an ein sozialpädagogisches Beratungsangebot. Diese Erkenntnis führte dazu, dass Beratungsstellen gegen Rechts in vielen Bundesländern nicht bei den Sicherheitsbehörden, sondern bei anderen Trägern angesiedelt wurden. So auch das 2008 bei der gemeinnützigen Organisation „Arbeit und Leben“ angesiedelte MBT Hamburg. Und hier arbeiten auch keine kriminalistischen Ermittler*innen sondern Sozialwissenschaftler*innen mit besonderer Expertise zu den Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Ideologien der Ungleichheit. Viele der Mitarbeiter*innen haben einen Migrationshintergrund, selbst Erfahrung mit diskriminierenden Handlungen gemacht und bringen eine entsprechende Sensibilität sowie Sprachkenntnisse mit. Es ist außerdem fraglich, ob eine polizeiliche Meldestelle ähnlich bereitwillig kontaktiert wird, solange die Polizei mit dem Verdacht leben muss, dass sie ein Problem mit Rassismus in ihren eigenen Reihen hat.

Doppelung oder Konkurrenz?
In die erstmalige Auflage eines staatlichen „Landesprogramms gegen Rechtsextremismus“ (LgR) vor knapp 10 Jahren und die damit einhergehende Einrichtung eines „Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus“ (BNW) floss auch die Erkenntnis ein, dass Neonazismus und extrem rechte Taten nicht in erster Linie ein sicherheitspolitisches Problem, sondern ein gesellschaftliches sind. Es wurde dementsprechend ein multimodales Programm unter der Einbeziehung breit gefächerter Expertise, auch aus den Sozialwissenschaften und der Zivilgesellschaft gesetzt. Im BNW sind heute Polizei und Verfassungsschutz ebenso vertreten, wie andere Behörden, zivilgesellschaftliche Vereine, Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Stiftungen und auch das MBT. Laut Leitbild des BNW werden hier „Wissen, Kompetenzen, vielfältige Perspektiven und Ressourcen der Netzwerkmitglieder zusammengetragen“, es werde „eine Kultur des Miteinanders gelebt“ und „Wert auf eine vertrauensvolle, gleichberechtigte Zusammenarbeit gelegt, die durch Transparenz und Offenheit“ geprägt ist.
Der Staatsschutz hielt es allerdings nicht für nötig, die anderen Mitglieder des BNW über die Planung der ZHA-R zu unterrichten, geschweige denn diese zu diskutieren. Und auch der Werbeflyer der polizeilichen Hinweisstelle bekräftigt den Alleingang: Zwar werden in diesem verschiedene Beratungsstellen, z.B. für Opfer rassistischer, antisemitischer oder religiöser Diskriminierung aufgeführt, ein Hinweis aus das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus fehlt allerdings völlig.
Dass die Innenbehörde trotz des fortschrittlichen Ansatzes im LgR jetzt bei der Meldung bezüglich rassistischer oder neofaschistischer Vorkommnisse wieder den Schwerpunkt auf rein sicherheitspolitische Aspekte legt, ist ein Rückfall hinter schon etablierte Erkenntnisse aus der modernen Forschung zur extremen Rechten. Gepaart mit der Weigerung sich mit institutionellem Rassismus zu beschäftigen und eine unabhängige Beschwerdestelle bei der Polizei einzurichten, dürfte von der neuen Meldestelle aus dem Hause Grote nicht viel mehr übrigbleiben als ein bisschen Imagepflege.