Das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR) demonstriert zusammen mit vielen Menschen am 6. November anlässlich der zufälligen Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) unter dem Motto „NSU-Morde aufklären, Rassismus bekämpfen, rechten Terror stoppen!“ Die Demonstration beginnt am Ramazan-Avcı-Platz, benannt nach einem Mordopfer der Neonazis im Jahr 1985 und endet vor dem Rathaus, dem Ort der politisch für die ungenügend Aufklärung der NSU-Mordserie in Hamburg steht.
Vor zehn Jahren, am 4. November 2011, enttarnte sich das Kerntrio des NSU. Obwohl offiziell gesucht, hatte es 13 Jahre lang unbehelligt in Chemnitz und Zwickau leben und von dort aus rassistische Morde und Sprengstoffanschläge sowie zahlreiche Raubüberfälle in mehreren Großstädten begehen können.
Über 70 Organisationen, Gruppierungen und Parteien und viele Einzelpersonen haben inzwischen unseren Aufruf unterzeichnet und beteiligen sich an der Demonstration. Sie kommen aus der antifaschistischen und antirassistischen Bewegung, sind Vereinigungen von Geflüchteten oder Menschen mit Migrationshintergrund. Es sind Kultureinrichtungen, Gewerkschaften und Sportverbände darunter.
Am Jahrestag der Selbstenttarnung gedenken wir der Opfer des NSU-Netzwerkes:
Enver Şimşek (9.9.2000, Nürnberg), Abdurrahim Özüdoğru (13.6.2001 Nürnberg), Süleyman Taşköprü (27.6.2001 Hamburg), Habil Kılıç (29.8.2001 München), Mehmet Turgut (25.2.2004 Rostock), İsmail Yaşar (9.6.2005 Nürnberg), Theodoros Boulgarides (15.6.2005 München), Mehmet Kubaşık (4.4.2006 Dortmund), Halit Yozgat (6.4.2006 Kassel) und Michèle Kiesewetter (25.4.2007 Heilbronn). Wir gedenken der 10 Mordopfer des NSU-Netzwerkes und weiterer Toter von drei Sprengstoffanschlägen sowie den vielen Verletzten und Traumatisierten und solidarisieren uns mit den Angehörigen. Stellvertretend für die mehr als 200 Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt in Deutschland seit der Wiedervereinigung erklärt Ibrahim Arslan, Überlebender des Brandanschlags in Mölln 1992, bei dem drei seiner Angehörigen ermordet wurden: „Ich werde in dieser Gesellschaft ständig daran erinnert, wie wichtig es ist die Perspektive der Betroffenen einzunehmen.“
Vollständige Aufklärung! Für einen Untersuchungsausschuss auch in Hamburg!
Nicht aufgeklärt, auch nicht durch den Münchner Prozess, ist vor allem das Netzwerk, das die NSU-Kernzelle deckte und die Terrorserie ermöglichte. Fast alles, was die Öffentlichkeit heute über das Netzwerk weiß, verdankt sie engagierten Journalist:innen und Anwält:innen, antifaschistischer Recherche und den Untersuchungsausschüssen im Bund und den Tatortländern. Christiane Schneider, ehemalige innenpolitische Sprecherin der LINKEN in der Bürgerschaft und heute Aktivistin im HBgR: „Jahrelang konnte der NSU ungehindert morden, weil sich die Strafverfolgungsbehörden in den Tatortländern von rassistischen Zuschreibungen leiten ließen. Rassismus verhinderte, dass die Morde als rechtsterroristische, rassistische Taten eingestuft und Ermittlungen in diese Richtung geführt wurden. Stattdessen haben sie in einer die Opfer stigmatisierenden und ihre Angehörigen traumatisierenden Weise ausschließlich nach Verbindungen in das Milieu der Organisierten Kriminalität gesucht. Gerade in Hamburg, das als einziges Tatortland einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss verweigerte, steht die Aufarbeitung dieses Totalversagens noch vollständig aus – und damit auch dringend notwendige Schlussfolgerungen für die Bekämpfung von strukturellem Rassismus in den Sicherheitsbehörden.“
Konsequenzen ziehen!
Der rechte, rassistische und antisemitische Terror geht auch nach der Selbstenttarnung der NSU-Kernzelle weiter. Aus rassistischem, antifeministischem, antisemitischem und völkischem Hass haben Rechtsterroristen 2016 in München, 2019 in Kassel und Halle und 2020 in Hanau 21 Menschen getötet. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich Menschen in kürzester Zeit mit Verschwörungserzählungen radikalisiert. Mit den Neonazis des NSU-Netzwerkes und weiterer militanter und bewaffneter Netzwerke sehnen sie den Systemumsturz, den „Tag X“ herbei.
Cornelia Kerth von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen“ (VVN-BdA): „Der rechte Terror der Gegenwart macht immer wieder deutlich, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist. Und: wer mit Hassparolen Politik macht, liefert den Mördern vermeintliche Legitimation. Entsprechend darf Nazis im Parlament und auf der Straße kein Raum überlassen werden.“
Demonstration am 6. November 2021, 13:00 Uhr, Ramazan-Avcı-Platz, S-Bahn Landwehr
Gemeinsam und solidarisch gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt
Hamburger Bündnis gegen Rechts