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Pressemitteilungen

Ein Staatssekretär,  ein Hakenkreuz und Referenten der extremen Rechten 


Der neue Justiz-Staatssekretär im Landtag von Schleswig-Holstein, Otto Carstens (CDU), steht in der Kritik. Einerseits, weil es Plagiats-Vorwürfe gegen ihn gibt, andererseits, weil er Mitglied einer schlagenden Verbindung am rechten Rand aus Hamburg ist. Das Corps Irminsul (CI, ca.100 Mitglieder) ist dem „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) nicht unbekannt, wie mehrere Artikel und Pressemitteilungen auf unserer Homepage dokumentieren.(1) Die dort erhobenen Vorwürfe dürften dem politisch engagierten CDU-Mitglied Carstens, der 2002 zu studieren begann und irgendwann in diesen Jahren in das CI eintrat, nicht unbekannt sein. 

NS-Traditionen 

Den Kieler Nachrichten sagte Carstens: „Ich bin ein sehr wertkonservativer Mensch und finde Traditionen sehr gut.“ Am Anfang der Tradition des CI stand vor 140 Jahren in Hamburg die Verbindung „Cheruskia“, die schon die heutigen Farben des Irminsul trug. Durch Fusion mit drei weiteren Corps wurde die Cheruskia bedeutend größer und schloß sich vor 100 Jahren dem Dachverband „Deutsche Wehrschaft“ an.(2) Die Deutsche Wehrschaft hatte schon lange vor den Nazis das Arier-Prinzip eingeführt, betrieb trotz Verbot durch den Versailler-Vertrag Wehrsport, beteiligte sich am antirepublikanischen Kapp-Putsch und Verbot gemäß dem Waidhofner Abkommen die Mensur mit jüdischen Studenten. Von einer der vier Gründungsorganisationen, dem Corps Irminsul, damals noch in Marburg, gibt es eine sog. Couleur-Karte mit Hakenkreuz und dem Satz: „Deutsch sein heisst treu sein, sich und seinem Volk“. Als treue Nazis erwiesen sich auch viele Irminsuler, die nach 1933 als SS-Offiziere dienten oder anderweitig im NS-Regime Karriere machten. Die Postkarte mit dem Hakenkreuz ist übrigens nicht nur rein historisch: Sie machte vor gut 10 Jahren in einem internen Forum von Verbindungen die Runde mit dem Hinweis, dass die Antifa dies zum Glück nicht wisse. 

Toleranz für die extreme Rechte 

Das CI behauptet zwar unpolitisch und dem Toleranzprinzip verpflichtet zu sein, dezidiert Linke wurden bei den sog. „Harvestehuder Gesprächen“ im Hause Irminsul allerdings bisher noch nicht gesehen. Auf einer archivierten Referenten-Liste von Oktober 2009 (die wenig später geändert wurde) tauchen diverse Namen aus der extremen Rechten auf: 

- Ferdinand Fürst von Bismarck, Schirmherr des reaktionären Bismarckbundes 
- Brigadegeneral a.D. Reinhard Günzel, der aus der Bundeswehr entlassen wurde, weil er den Antisemiten Martin Hohmann unterstützt hatte. 
- General a.D. Günter Kießling, der im rechtsextremistischen Arndt-Verlag veröffentlichte. 
- Hans Klose, Reichsstelle für Naturschutz im NS, an der Umsetzung der Blut-und Boden- Ideologie, dem Arier-Paragrafen und Vertreibungen von Polen beteiligt. Alter Herr des CI 
- Der ehemalige Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) Gerd H. Komossa, der sich in der Nationalzeitung wiederholt gegen eine angebliche Diffamierung der Wehrmacht aussprach. 
- Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Ronhof, der mit seinem geschichtsrevisionistischen Buch „Der Krieg der viele Väter hatte“, durch die braune Szene tingelt. 
- Der geschichtsrevisionistische Brigadegeneral a.D. Reinhard Uhle-Wettler 
- Karlheinz Weißmann, spiritus rector der Neuen Rechten und Vordenker der Jungen Freiheit. 
- Und schließlich Reinhold Oberlercher, in der Irminsul-Liste als „Mitstreiter von Rudi Dutschke“ angekündigt. Der Reichsbürger war allerdings schon Anfang der 1980er zur extremen Rechten gewechselt, stand 2004 wegen Volksverhetzung vor Gericht und war die letzten 15 Jahre im Umfeld der NPD aktiv. 

Skandal im Hamburger Rathaus 

In die Presse schaffte es schließlich 2005 der Skandal um den Festkommers des CI anlässlich seines 125-jährigen Bestehens. Als Festredner war ausgerechnet der mit antisemitischen Äußerungen bekannt gewordene Prof. Konrad Löw eingeladen worden. Ein Jahr zuvor hatte die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) eine Schrift von Löw (3) mit dem Titel Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ eingestampft, da der Text „geeignet“ sei, die „deutschen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur zu verharmlosen.“ Da der Festkommers mit gleichem Vortragstitel, durch ein anderes CDU- und CI-Mitglied gebahnt, im Hamburger Rathaus stattfand, war der Skandal perfekt. Schlimmer noch, der damalige Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Heino Vahldieck (CDU), 2003 ebenfalls Referent beim CI, stellte dem Geschichtsrevisionisten Löw, entgegen der Einschätzung der BPB einen Persilschein aus. In die Schlagzeilen geriet Vahldieck wieder, als er 2018 mit den braunen Merkel-muss-weg-Aufmärschen sympathisierte. Es wird also spannend werden, ob irgendwelche reaktionären CDU- und Corps-Seilschaften diesmal helfend Staatssekretär Carstens zur Seite stehen. 

Wo zerhackte sich Carstens den Kopf? 

Dass sein CI bis heute keine Distanz zu Rechtsextremisten scheut, macht ein Blick in das aktuelle Semesterprogramm(4) deutlich:  „2. oBT des HWR (i)“ steht dort. Für die Nicht-Korporierten heisst das: „Zweiter ordentlicher Burschentag des Hamburger Waffenrings, intern“. Im Hamburger Waffenring sind sechs schlagende Verbindungen zusammen geschlossen. Drei andere Hamburger schlagende Corps sind nicht dem HWR angeschlossen, weil dort seit Jahrzehnten auch die rechtsextremistische „Hamburger Burschenschaft Germania“ (HBG) ihre Mensuren schlägt, sie sich aber als konservativ verstehen. „Das Corps Irminsul bewies einen guten Mensurstandpunkt und führte erst ab, als Martins Gegenpaukant durch diesen ordentlich ‚zerhackt’ worden war“, heißt es beispielhaft Ende 2018 in einem Bericht der HBG von einer HWR-Mensur.(5) Auch Carstensen dürfte der HWR und die Germania bekannt sein, vielleicht hat er dort sogar seine Mensuren geschlagen, denn dafür dienen Waffenringe. 

Felix Krebs vom HBgR: „Staatssekretär Carstens hat anscheinend in seinen vielen Jahren Mitgliedschaft im Corps Irminsul nie den Drang verspürt sich nach rechts abzugrenzen. Nun sollte er zurücktreten.“ 

Hamburger Bündnis gegen Rechts 

1) https://www.keine-stimme-den-nazis.org/aktuelle-meldungen/3125-heino-vahldieck-ein-kandidat-im-zwielicht
2) https://dewiki.de/Lexikon/Corps_Irminsul#Weimarer_Republik_und_NS-Zeit
3https://taz.de/Deutsche-Identitaet/!588725/ 
4) https://www.irminsul.de/wp-content/uploads/bsk-pdf-manager/2022/04/Semesterprogramm-SS-22_11_04.pdf
5) https://www.keine-stimme-den-nazis.org/11-pressemitteilungen/7029-wo-intellektuelle-nazis-und-konservative-gemeinsam-feiern