Der Amoklauf vom 9. März bei der acht Menschen, inklusive des ungeborenen Kindes und des Attentäters starben, wird nicht als rechtsextremistische Tat kategorisiert. Das HBgR recherchiert regelmäßig selbst, deshalb wollen wir hiermit zu den vollkommen ungenügenden Erklärungen der Polizei und der Innenbehörde Stellung beziehen. Der Spiegel hat heute bestätigt, dass die Waffenbehörde das hetzerische Buch des Attentäters im Netz gefunden hatte, nur Geld sparen wollte und es deshalb nicht kaufte.(1)
In der Pressekonferenz (PK) vom 14. März 2021 lobte Innensenator Andi Grote das schnelle und beherzte Eingreifen der Polizei, welches 20 Menschenleben in den Räumen der Zeugen Jehovas rettete. Dies stimmt, allerdings sind die Beamten, insbesondere die von Spezialeinheiten, per Amtseid dazu verpflichtet genau dieses zu tun. Und sie konnten nur so schnell reagieren, weil eine Einheit zufällig in der Nähe war. Mit keinem Wort ging Grote jedoch auf das Versagen der Waffenbehörde ein, die in Hamburg ebenfalls der Polizei unterstellt ist.(2)
In der PK wurde alleine eine Stunde auf diverse Nachfragen der Medien bezüglich der detaillierten anonymen Warnung vor dem Täter und seines Buches geantwortet. Der Täter hatte im Dezember 2022 ein Buch mit ISBN-Nummer im Netz angeboten, welches auch über verschiedene Vertriebe wie Amazon und Walmart zu bestellen war. Das Buch enthält wirre, antisemitische, misogyne, den Holocaust rechtfertigende und NS-verherrlichende Thesen und hätte, so Polizeipräsident Ralf Martin Meyer auf energische Nachfragen, wahrscheinlich zu einem psychiatrischen Gutachten der Behörde bei dem Täter geführt und damit zum Widerruf der Waffenberechtigung und Einziehung der Schusswaffe. Laut Waffengesetz § 6 ist dies eindeutig möglich.
Laut Meyer hätte die Waffenbehörde am 24. Januar 2023 den anonymen Hinweis auf das Buch erhalten, am 7. Februar hätten die beiden zuständigen Beamten dann einen Hausbesuch bei dem späteren Täter gemacht, allerdings nur mit dem Ziel einer Kontrolle der sicheren Verwahrung von Pistole und Munition, nach dem Buch sei weder gefragt, noch gesucht worden. Vorher hätten die beiden Beamten jedoch per „Google“ das Buch in Kombination mit dem Namen des Mörders gesucht, aber nicht gefunden. Auf Nachfragen antwortete Meyer, dass selbst nach weitem herunter scrollen kein Eintrag gefunden worden sei und dass die Verwaltungsbeamten keine Experten in „OSINT“-Recherche seien. Ferner behauptete der Polizeipräsident, dass post-ex nochmals IT-Experten der Polizei die Google-Suche der Waffenbehörde rekonstruiert hätten und auch zu keinem Ergebnis für die damalige Suche nach dem Namen des Täters und seines Buches gekommen seien.
Felix Krebs vom HBgR: „In der Pressekonferenz wurde dreist gelogen. Selbst wenn Polizeipräsident Meyer nicht wusste, dass seine Beamten das Buch doch gefunden hatten, stimmte die Story mit der nachträglichen Rekonstruktion der Suche durch IT-Experten nicht. Der Senat weigert sich bis heute in Hamburg als einzigem Tatortland einen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex einzusetzen, versprach aber eine deutlich verbesserte Polizeiarbeit. Dieses erneute Versagen ist der krasse Gegenbeweis.“
Unsere eigene Recherchen
OSINT ist ein Akronym aus dem Bereich der Geheimdienste, steht für Open Source Intelligence und meint, dass Informationen aus frei verfügbaren, offenen Quellen gesammelt werden, um durch Analyse der unterschiedlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Selbst wenn OSINT also kein Geheimwissen- oder -Software benötigt, ist eine einfache Google-Suche in keinster weise mit einer OSINT-Recherche vergleichbar, sondern viel einfacher.
Meyer sagte in der PK, dass sich der Such-Algorhythmus bei Google bis heute verändert habe, womit er Recht hat, denn viele Menschen haben inzwischen den Namen und das Buch des Mörders gegoogelt. Es gibt jedoch die Möglichkeit eine Google-Recherche zeitlich so einzugrenzen, dass sie den Zustand von vor dem Amoklauf ziemlich genau widerspiegelt. Die Beamten geben an, dass sie vor dem Hausbesuch am 7. Februar gegoogelt hätten. Es ist üblich den vollständigen Namen bei Google-Suchen in Anführungszeichen zu setzen, um die Suche zu präzisieren, auch wenn in diesem Fall der Gesuchte einen seltenen Nachnamen hat. Geben wir also „Philipp Fusz“ und das Wort Buch kombiniert mit dem Google-Befehl before:2023-02-07 in die Suche ein, so erhalten wir ein Google-Abbild von vor dem 7. Februar mit allen noch heute existierenden Seiten.(4) Schon unter den ersten vier Einträgen findet sich drei Mal ein Hinweis auf das Buch „The Truth About God, Jesus Christ and Satan“ sowie schon in den kurzen Ausschnitten das Wort Taschenbuch, Paperback bzw. Book. Für den Fremdsprachen unkundigen Beamten steht dort außerdem „Diese Seite übersetzen“.(5) Es sind also weder OSINT- noch Experten-Wissen nötig, noch ein scrollen durch Dutzende von Seiten.
Hamburger Bündnis gegen Rechts