HBgR Logo lang Bild

HBgR Logo lang Schrift

Pressemitteilungen

Kuscht der Hamburger Verfassungsschutz vor der AfD?

Im sächsischen Pirna stellt die AfD erstmals den Oberbürgermeister. In Hamburg verlor der Verfassungsschutz (VS) 2021 vor Gericht gegen die AfD und wagt jetzt keine Aussage zur deren Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) zu machen, obwohl diese im Bund als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt.1 Dies geht aus einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (LINKE), Drucksache 22/13793 hervor, die wir baten zu stellen.

Hintergrund: 
Die Aktivitäten der JA wurden in Hamburg 2019 eingestellt, da im Januar des Jahres die bundesweite Beobachtung der Jugendorganisation durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „Verdachtsfall“ begann. Der Vorstand des Hamburger AfD-Landesverbandes hatte sich im März 2019 von der Bundesorganisation Jungen Alternative (JA) losgesagt. Die dazu nötige Änderung der Landessatzung, die eine Bindung an die Jugendorganisation enthielt, wurde damals vom Landesparteitag mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Zugleich wurde der Vorstand ermächtigt, über eine mögliche Gründung einer neuen Jugendorganisation zu entscheiden. Landeschef Dirk Nockemann hatte vor den gut 100 Parteitagsmitgliedern für die Satzungsänderung geworben.2
Im August 2021 schrieb die JA-HH dann jedoch „Nach über zwei Jahren der Inaktivität werden wir nun von Neuem anfangen und die Jugendorganisation der Alternative für Deutschland in Hamburg wieder aufbauen … Jazlynn Schröder als Vorsitzende ist das neue Gesicht der JA Hamburg.“3 Der Name, das Symbol und auch der Facebook-Account sind derselbe wie 2019. Es wurde also keine Neugründung vollzogen, wie urspürnglich erwogen, sondern eine Organisation fortgeführt, die dem BfV als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt. In mehreren Bundesländern gilt die JA sogar als „gesichert rechtsextremistisch“ und in weiteren wird immerhin der Verdachtsfall von den dortigen Landesämtern des VS öffentlich bekundet. Zuletzt vor einer Woche im schwarz-grün regierten Nordrhein-Westfalen.4

In Hamburg zu feige?
Nur in Hamburg wagt es der Inlandsgeheimdienst nicht öffentlich Stellung zu beziehen. In der Kleinen Anfrage wurde u.a. nach der Einstufung, der Mitgliederzahl, der möglichen Kooperation mit anderen rechten Organisationen, eine möglichen Bewaffnung und der allgemeinen Tätigkeit der Jungen Alternative in Hamburg gefragt. Auf die 12 detaillierten Fragen antwortet der VS mit einer einzigen Aussage: „Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg äußert sich entsprechend den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen öffentlich grundsätzlich nur zu Beobachtungsobjekten, von denen gesichert extremistische Bestrebungen ausgehen sowie – unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nur in Einzelfällen zu Beobachtungsobjekten im Status eines Verdachtsfalls.“ Mit anderen Worten, es könnte, genau wie das BfV und zig Landesämter eine Einschätzung abgeben, es will es jedoch nicht.

In den Verfassungsschutzberichten des LfV Hamburg für die Jahre 2019 und 2020 fand sich immerhin eine Aussage (Verdachtsfall) zur JA auf Bundesebene. 2021, dem Jahr der Fortführung der JA in Hamburg, verlor der Geheimdienst jedoch einen Prozess gegen die Hamburger AfD. Der Dienst hatte u.a. einen Anfänger-Fehler gemacht und aus der Teilnahme eines Mitarbeiters der AfD-Fraktion in vorher gehenden Jahren an Aktionen der rechtsextremistischen Identitären Bewegung (IB) eine Mitgliedschaft bei der IB konstruiert.5 Seit dem Scheitern vor Gericht schweigt der Hamburger VS über den Verdachtsfall JA in seinen Veröffentlichungen.

Felix Krebs vom HBgR: „Wir kennen Dutzende von Anfragen bezüglich der Extremen Rechten in Hamburg. Wenn nichts vorliegt, schreibt der VS regelmäßig die Gruppierung ist 'kein Beobachtungsobjekt' des Landesamtes. Die jetzige Stellungnahme legt nahe, dass die JA auch in Hamburg ein Verdachtsfall ist und möglicherweise mit geheimdienstlichen Mitteln beobachtet wird; das 'Frühwarnsystem der Demokratie' jedoch zu feige ist, dieses gegenüber der Öffentlichkeit zu erklären.“

Hamburger Bündnis gegen Rechts