Hamburger Abendblatt, Oliver Schirg
Seit Monaten postiert sich Horst Kriegel Nacht für Nacht vor der St.-Pauli-Kirche, damit die 80 Flüchtlinge aus Afrika darin ruhig schlafen können. Was treibt den einstigen Türsteher dazu an?
Die Nacht hat sich über die Stadt gelegt. Horst Kriegel zieht an seiner selbst gedrehten Zigarette. Die Glut leuchtet im Rhythmus seiner Züge auf. Ein roter Punkt inmitten der Dunkelheit. Vom nahen Hafen her ist das immerwährende Rauschen zu hören.
Die St.-Pauli-Kirche ist in der Dunkelheit kaum auszumachen. Horst Kriegel, den hier alle nur mit seinem Spitznamen Hotte rufen, schüttelt sich leicht und zieht den Reißverschluss seiner Weste hoch. Der Herbst ist früh gekommen in diesem Jahr. Die Kälte kriecht vom Boden her die Beine hoch.
Die St.-Pauli-Kirche ist in diesen Tagen ein besonderer Ort. Seit gut vier Monaten übernachten im Kirchenschiff 80 afrikanische Männer. Zu Zeiten des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi hatten sie in dem nordafrikanischen Staat als Gastarbeiter gelebt. Als dort die Revolution ausbrach, mussten sie überstürzt das Land verlassen.
Auf Schiffen gelangten sie nach Italien. Dann folgten sie dem Versprechen, in Deutschland werde es ihnen bessergehen, und zogen weiter. Vor gut einem Jahr landeten sie auf Hamburgs Straßen, im Winter dann in Notunterkünften. Als im Frühsommer die Rückführung nach Italien drohte, fanden die Flüchtlinge Unterschlupf in der St.-Pauli-Kirche.
"Ich habe Pastor Wilm im Fernsehen gesehen, wie er davon erzählte, dass zwei Burschenschafter das Gelände ausgekundschaftet hätten", erzählt Hotte. "Mir war sofort klar, dass die Gemeinde bei der Sicherung der Kirche Hilfe brauchte." Gleich am nächsten Tag sei er zum Pastor gegangen und habe ihm angeboten, für Sicherheit zu sorgen. "Das Projekt hier muss doch gelingen!"
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