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Frank Behrmann, zuerst auf scharf-links erschienen

Die Alternative für Deutschland (AfD) radikalisiert sich in der Flüchtlingsdebatte weiter. Seit Bernd Lucke ausgetreten ist, gibt es für die Partei auf dem Weg nach Rechtsaußen kein Halten mehr. Beim Schüren von Ängsten vor Flüchtlingen ist die AfD stets mit dabei. Es vergeht kein Tag, ohne dass jemand aus der Parteiführung ein weiteres öffentliches Statement gegen AsylbewerberInnen publiziert hätte.
Nun war Lucke insbesondere im Wahlkampf rechtspopulistischen Tönen gegenüber auch nicht abgeneigt. Aber die bürgerliche Wohlanständigkeit, seine eingebildete Reputation als seriöser Problemlöser durfte durch rechtsradikale Parolen nicht gefährdet werden, denn immerhin wollte er sich die Möglichkeit einer späteren Regierungsbeteiligung offen halten.
Solche Überlegungen sind für die neue AfD-Führung um Frauke Petry und den zu Unrecht als liberal geltenden Wirtschaftsprofessor Jörg Meuthen nachrangig. Für sie gilt es, die zunehmend aggressivere Stimmung gegen Flüchtlinge in Teilen der Bevölkerung auf ihre Mühlen zu leiten, um die Chance zu wahren, überhaupt einmal wieder die 5-Prozent-Hürde zu überspringen. Noch vor einem Jahr sahen die Umfragen zur sogenannten Sonntagsfrage die AfD nach ihren Wahlerfolgen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen zwischen 7,5 und 9 Prozent – aktuell steht sie zwischen 3 und 4 Prozent.
Noch zur Bundestagswahl 2013 entsprachen die migrationspolitischen Forderungen der AfD dem auch bei Union und SPD üblichen Nützlichkeitsrassismus, laut dem diejenigen, die Deutschlands Ökonomie brauchen kann, einwandern dürfen, alle anderen aber möglichst nicht. Das Asylrecht wurde nicht grundsätzlich attackiert, sondern mit der Einschränkung, es gelte nur für „ernsthaft politisch Verfolgte“, implizit behauptet, in der Praxis würde es zu großzügig ausgelegt. Die Forderung nach einem Recht für AsylbewerberInnen zu arbeiten dürfte sogar als liberaler als die CDU-Positionen zu diesem Thema angesehen werden (dieser Punkt war unter AfDlerInnen entsprechend heftig umstritten). [1]
Auch die Forderung nach Einwanderung nach ökonomischen Kriterien stieß nicht nur bei Anti-RassistInnen auf (berechtigte) Kritik, sondern ebenso bei völkischen RassistInnen, die überhaupt keine Einwanderung wollen, da diese Deutschland zerstöre. Mit der zahlreich plakatierten Parole „Keine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“ wurden diese RassistInnen mit der AfD versöhnt.
Die „neue“ AfD gegen Migration
Mit seiner asyl- und migrationspolitischen Erklärung machte der neue Bundesvorstand der AfD gleich deutlich, womit künftig zu rechnen sein wird: Das Thema Asyl soll zum zentralen Agitationsfeld werden, und die Partei wird eine deutliche Verschärfung des Asylrechts fordern.[2] Vom Arbeitsrecht für Flüchtlinge ist darin keine Rede mehr, umso mehr geht es darum, wie man Menschen, die es bis hierher geschafft haben, möglichst schnell wieder abschieben kann, und wie verhindert wird, dass sie künftig überhaupt hierher gelangen.
Es soll unerbittlicher abgeschoben und das Schengen-Abkommen ausgesetzt werden. Asylverfahren sollen in die Herkunftsländer der Flüchtlinge (oder sichere Nachbarländer) verlegt werden. Die Bundesrepublik soll bestehende Flüchtlingslager z.B. im Libanon oder in der Türkei finanziell unterstützen, damit die Geflüchteten „in ihrem eigenen Kultur- und Glaubenskreis“ bleiben.
Die Initiative geht bei dieser Thematik vom rechten Parteiflügel aus. Der mutmaßliche Mehrheitsflügel um Petry wird zwar nicht müde, tagein, tagaus eine schärfere Anwendung des Asylrechts zu fordern, neue Impulse gehen von ihm aber nicht aus. Und so gelingt es Petry kaum einmal, überregionale Aufmerksamkeit für die ressentimentgeladenen AfD-Erklärungen zu bekommen.
Einzig Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen, gelang es, mit seinem Vorschlag eines einjährigen „verpflichtenden Bürgerdienstes“ für alle Asylbewerber in die Presse zu kommen.[3] Petry beeilte sich, diesen Gedanken aufzunehmen.[4] Allerdings kam diese Idee bei weiten Teilen der Basis überhaupt nicht gut an. Nicht etwa, weil man etwas gegen den Zwangscharakter dieser Maßnahme einzuwenden hätte. Nein, man befürchtet vielmehr, dass mit einem Bürgerdienst bereits die Integration eines Asylbewerbers in die hiesige Gesellschaft beginnen könnte. Und genau das will man nicht!
Petry und ihre Gefolgsleute stehen vor dem Problem, öffentliche Erklärungen abgeben zu müssen, die spektakulär genug sind, um Aufmerksamkeit zu erregen, aber zugleich das bürgerlich-demokratische Image, das man sich selbst gegeben hat, nicht durch allzu rabiate Aussagen selbst zu demontieren. Radikale Töne passen da nicht – aber genau die werden von der Basis verlangt (und vermutlich zunehmend lautstärker).
Das dürfte auch die Erklärung dafür sein, warum Petry erst mehrere Tage nach den rassistischen Krawallen von Heidenau dazu ein paar Worte fand – es ist der Spagat, die Ausschreitungen abzulehnen und zugleich jene AnhängerInnen nicht vor den Kopf zu stoßen, die ‚Heidenau’ mit klammheimlicher Freude zusahen, zumindest aber mit einem „das kommt davon…“ kommentierten.
Die Krawalle werden in dieser Erklärung verurteilt, die Schuld wird aber der „Hilflosigkeit der Bundesregierung und ihre(r) Unehrlichkeit den eigenen Bürgern gegenüber“ zugeschoben – der verbreitete Rassismus oder die Aufwiegelung der Bevölkerung durch rechtsextreme AgitatorInnen werden nicht einmal erwähnt. Mit der Formulierung vom „wachsenden Unmut in zahlreichen Städten und Gemeinden“ wegen des „Asyl-Chaos“ wird zumindest unterschwellig Verständnis für die Motivation, wenn auch nicht für die Methoden der RandaliererInnen gezeigt.[5] Danach geht`s dann gegen Fehlverhalten von AsylbewerberInnen, als hätte es die Heidenauer Krawalle nicht gegeben, wäre es nicht zu der Randale in Suhl gekommen.
Wohlgemerkt, so argumentieren VertreterInnen des ‚moderateren’ Parteiflügels! Durch die Rechtsverschiebung der AfD nach dem Essener Parteitag und den Austritt zahlreicher Mitglieder ist der Petry-Flügel in die Mehrheitsposition gerückt und sieht sich nun von den Parteirechtsaußen unter Druck gesetzt.
Die Parteirechten gehen noch viel weiter
Bei Alexander Gauland klingt die Erklärung zum Brandanschlag auf eine als Asylnotunterkunft gedachte Turnhalle in Nauen schon fast wie eine Rechtfertigung: „Die Verantwortung für solche Taten haben die gesamte Gesellschaft und in erster Linie die Politiker der Altparteien, die zur jetzigen Eskalation der Flüchtlingsproblematik beigetragen haben. (…) Wären die Bürger einbezogen worden und hätten sie das Gefühl, dass nicht nur sie und die Kommunen gefordert werden, sondern auch die Politik auf Bundes- und Landesebene alles tut, um der Situation Herr zu werden, ließen sich Reaktionen wie jetzt in Nauen sicherlich verhindern!“[6] Wie weit ist es von diesen Sätzen zu solchen: Da die BürgerInnen nicht gefragt wurden, blieb ihnen gar nichts anderes übrig…?
Schon am 19. August erklärte Gauland, ab einer Million Flüchtlinge müsse geprüft werden, das Asylrecht auszusetzen.[7] „Das deutsche Asylrecht funktioniert in der bestehenden Form nicht mehr. Es wurde für einen derartigen Flüchtlingsstrom, wie wir ihn derzeit erleben, nicht geschaffen. (…) Sollten wir diese Million erreichen, müssen alle Möglichkeiten geprüft werden, das Asylrecht in Deutschland auszusetzen.“ Bisher hatte Gauland wiederholt geäußert, in der AfD dürfe es keine ‚roten Linien’ geben, wie sie Lucke gefordert hatte, sondern die einzige für die Partei unüberschreitbare Grenze sei das Grundgesetz. Keine zwei Monate später ist er es selbst, der die Axt ans Grundgesetz legt. Es hat den Anschein, als wären bei Gauland bereits alle Dämme gebrochen.
Andere rechte pressure groups sind bereits dort, wo sie die AfD erst noch hinzerren wollen. Die Patriotische Plattform will gar kein Asyl gewähren: „Es gibt keine Pflicht, Hunderttausende Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen, denen unsere Kultur fremd ist und die in aller Regel über keine besondere Qualifikation verfügen, aufzunehmen! Für Kriegsflüchtlinge sind in erster Linie die Kriegsparteien verantwortlich.“[8] „Wir fordern einen sofortigen Aufnahmestopp für Zuwanderer und Asylanten, d.h. wir fordern ein Asyl-Notstandsgesetz! Wir fordern
strenge
Grenzkontrollen,
d.h. wir fordern, sofort das Schengen-Abkommen auszusetzen – und zwar für alle Grenzen Deutschlands! (…) Wir fordern, dass das Flüchtlingsproblem grundsätzlich vor Ort, in den eigenen Kulturkreisen geklärt wird!“
Markus Frohnmaier, Vorsitzender der Jungen Alternative, faselt gar von einem „schleichenden Bevölkerungsaustausch“ und gibt vor, um die deutsche Kultur zu bangen: „Viel fataler ist der schleichende Bevölkerungsaustausch, der durch die lasche Asylpolitik begünstigt wird. 800.000 neue Asylbewerber allein in diesem Jahr werfen die berechtigte Frage auf, ob unsere mitteleuropäische Sprache, Kultur und Identität nicht fundamental angegriffen werden. Es droht eine unumkehrbare Transformation unserer Sitten, Traditionen und Gesetze.“[9]
Frohnmaier ist mit seinem Gerede vom „Bevölkerungsaustausch“ und von „unserer Identität“ sprachlich der radikalen Rechten zuzuordnen. Inhaltlich hat sich zuletzt Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen, mit neurechten Stereotypen zu Wort gemeldet. In einer Rede vor dem Thüringer Landtag äußerte er unter anderem, es müsse geprüft werden, ob es sich bei dem großen Flüchtlingsandrang um ein „gezieltes Komplott der USA handelt, um Europa zu schwächen“. Es wäre ein Skandal vergleichbar dem NSA-Skandal, „wenn die USA Schlepper bezahlen würden“.[10]
Dies ist eine Verschwörungstheorie aus der neurechten Ecke, laut der die USA, um ihre Herrschaft in der New World Order durchzusetzen, Deutschland durch einen Bevölkerungsaustausch zerstören wollen. Höcke ist allerdings schlau genug, dies als lediglich denkbare Möglichkeit und nicht als erwiesene Tatsache hinzustellen. Noch! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Scheuklappe fällt.
 

[1]  http://www.alternativefuer.de/programm-hintergrund/programmatik/
[2]  http://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/2015/08/Positionspapier-des-AfD-Bundesvorstandes-zur-Asyl-und-Fl%C3%BCchtlingsproblematik3.pdf
[3]  http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-nrw-landeschef-pretzell-will-arbeitspflicht-fuer-fluechtlinge-a-1048175.html
[4]  http://www.alternativefuer.de/petry-schluss-mit-kosmetischen-massnahmen-bei-explodierenden-asylzahlen/
[5]  http://www.alternativefuer.de/petry-gewalt-ist-nicht-hinnehmbar-bundesregierung-muss-handeln/
[6]  http://afd-fraktion-brandenburg.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=138&wysijap=subscriptions
[7]  http://www.alternativefuer.de/gauland-bei-einer-million-fluechtlingen-muss-geprueft-werden-das-asylrecht-auszusetzen/
[8]  http://patriotische-plattform.de/blog/2015/08/21/fuer-eine-grundsaetzliche-wende-in-der-asylpolitik-fuer-die-forderungen-von-pegida/
[9]  https://www.jungealternative.com/schluss-mit-massenasyl-junge-alternative-fordert-referendum-zur-asylpolitik/
[10]  https://www.youtube.com/watch?v=Z4A51TqBtAk&feature=youtu.be ab Minute 24:30