Steffen, Indymedia 12. Juli 2010
Die Deutsche Bahn AG verbietet das Gedenken an die Opfer der "Reichsbahn" Deportationen im Rahmen der Jubiläumstour "175 Jahre deutsche Eisenbahn."
Die Deutsche Bahn AG feiert dieses Jahr in mehreren deutschen Bahnhöfen ein Jubiläum: „125 Jahre deutsche Eisenbahn“. Unter dem Motto „Die Eisenbahn macht mobil – seit 175 Jahren“ finden „bunte Bahnhofsfeste“ in insgesamt 15 Großstädten statt. Die DB AG stellt sich damit in die Tradition der deutschen Eisenbahngeschichte.
Unterdessen warten die Überlebenden der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager, die als Kinder in Waggons der „Reichsbahn“ deportiert wurden, noch immer auf eine angemessene Restitution. Bis heute wurde kein Cent an die Überlebenden der „Reichsbahn“ -Verbrechen ausgezahlt.
Am Sonntag, den 11.07.2010 machte die „Jubiläumstour“ am Hamburger Hauptbahnhof Station. Dieses Ereignis war für Hamburger Antifaschist_innen der geeignete Anlass, an die Opfer zu erinnern und die Forderungen der Überlebenden zu unterstützen.
Über drei Millionen Menschen aus ganz Europa wurden in Zügen der „Reichsbahn“ verschleppt. Über das Hamburger Schienennetz wurden über 6000 Menschen nach Minsk, Theresienstadt oder Auschwitz deportiert.Die wenigsten kehrten aus den Vernichtungslagern der deutschen Faschisten zurück. Die „Reichsbahn“ verdiente gut an ihrer Beihilfe zum Massenmord, umgerechnet über 445 Millionen Euro nahm sie ein. Die Deportierten mussten ihre Verschleppung meistens selbst finanzieren.
Bis heute ist weder die DB AG noch ihre Eigentümerin, die Bundesrepublik Deutschland, bereit, den oft bedürftigen Überlebenden zu helfen und ihre Schuld diesen Menschen gegenüber zu begleichen. Auch eine angemessene Ehrung der Millionen Menschen, die nicht aus den deutschen Todeslagern zurückkehrten, in welche die „Reichsbahn“ sie verschleppte, blieb bis heute aus. Seit längerem fordern Überlebende der „Reichsbahn“ – Deportationen, vertreten durch 21 Opferorganisationen aus Weißrussland, Polen, der Ukraine und Russland, die Begleichung der Schulden. Der Betrag hat in angemessenem Verhältnis zu den Einnahmen aus den Verschleppungen zu stehen. Die legitimen Forderungen wie bisher weiter zu verschleppen und zu ignorieren bedeutet, auf den Tod der letzten Überlebenden zu warten. Dies ist nicht hinnehmbar. Es ist höchste Zeit, dass sich die Nachfahren der damaligen Täter oder Mitläufer an die Seite der Überlebenden stellen und ihr Anliegen unterstützen. Inzwischen stimmt die DB AG zwar Gesprächen mit Vertreter_innen einzelner Opferorganisationen zu. Die Hoffnung, dass diese Gespräche nicht nur auf eine „kostensparende Kompensation der historischen Schulden“ hinauslaufen, wie der „Zug der Erinnerung e.V.“ warnt, ist zurzeit bestenfalls bescheiden.
Vor diesem Hintergrund besuchten am Sonntag Hamburger Antifaschist_innen das „Bahnjubiläum“, um die Forderungen der Überlebenden zu unterstützen und der Opfer zu gedenken, indem sie Flugblätter verteilten, auf denen auch die gemeinsame Erklärung der Opferorganisationen nachzulesen war. Die bereits nach wenigen Minuten herbeigeeilte Bahnhofsmanagerin verbot den Antifaschist_innen die Information der Festbesucher_innen und machte von ihrem Hausrecht gebrauch. Sie befürworte das Gedenken, das Bahnjubiläum sei dafür aber nicht der richtige Rahmen. Heute wolle sie feiern. Das nun entrollte Transparent rief umgehend mehrere Mitarbeiter der „DB – Sicherheit“ auf den Plan, die daran herumzerrten und die Aktivist_innen aufforderten, „mit diesem Scheiß“ (Zitat) zu verschwinden. Um dennoch möglichst viele Passant_innen erreichen zu können, postierten sich die Antifaschist_innen unmittelbar hinter dem von der DB AG für das Fest reservierte Gelände, zeigten das Transparent und verteilten die Flugblätter. Dies versuchte die DB AG in Gestalt ihrer Security – Marionetten ebenfalls zu verhindern bzw. zu sabotieren, indem sich mehrere von ihnen direkt vor das Transparent stellten und so den Passant_innen die Sicht darauf zu versperren. Zusätzlich wurde offensichtlich die Polizei durch die DB informiert, die den Demonstrant_innen dann einen Platz etwas weiter abseits zuwies. Einer Person wurde eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angekündigt.
Insgesamt konnten innerhalb von drei Stunden 400 Flugblätter verteilt werden. Es kam zu einigen Solidaritätsbekundungen seitens der Passant_innen, immer wieder wurde auf das Verhalten der DB AG mit Empörung reagiert. Weitere Proteste im Rahmen der "Jubiläumstour" und darüber hinaus sind angekündgt