Irene Jung, Hamburger Abendblatt
Die Hong Kong Bar war der Stolz der Familie Chong – bis die Gestapo kam: Das Schicksal des Wirtes und der Chinesenkolonie in Hamburg. Er ist immer noch da, auf Porträtfotos rechts oben an der Wand: als junger Mann in einer chinesischen Seidenbluse mit glattem, optimistischen Gesicht. Und als alter Mann mit verschlossenen Zügen und tiefen Falten. Ein ganzes Leben liegt dazwischen. Chong Tin Lam guckt von oben direkt auf den Tresen der Hong Kong Bar, auf dem seine Tochter Marietta Solty in Dokumenten und Kopien wühlt und Fotos auslegt. Manchmal weiß sie nicht, wo sie anfangen soll zu erzählen. Es ist ganz schön kompliziert, Zeitzeugin zu sein in einem Stück Hamburger Geschichte.
Die Hong Kong Bar: mitten auf St. Pauli, 30 Schritte vom Goldenen Handschuh und zehn Schritte von "Deutschlands ältester Tätowierstube" entfernt. 1926 hat Chong Tin Lam die Bar eröffnet, als die Straße noch Heinestraße und nicht Hamburger Berg hieß. 19 Jahre alt war er, 1907 in Kanton geboren und schon ein paar Jahre als Schiffskoch zur See gefahren. Eigentlich sollte er das Kellerlokal seines Onkels in der Schmuckstraße übernehmen, dem Zentrum des "Chinesenviertels". Aber Chong hatte ehrgeizigere Pläne. Er wollte sein eigenes Restaurant, mit hervorragendem kantonesischen Essen.
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