In Gedenken an Süleyman Taşköprü - Für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des NSU-Komplex in Hamburg
Vor 20 Jahren wurde Süleyman Taşköprü ermordet. Obwohl die rechtsterroristischen Mörder*innen sich vor 10 Jahren enttarnten, folgten bis heute in Hamburg kaum nennenswerte Taten der Aufklärung und Verhinderung rassistischer Gewalt. Als Hamburger Öffentlichkeit rufen wir daher zu einer Demonstration anläßlich des 20. Todestags Süleyman Taşköprü auf. Kein Vergessen – Kein Einzelfall – Von Hamburg nach Hanau zieht sich eine rassistische Geschichte.
Am 27. Juni 2001 wurde Süleyman Taşköprü in seinem Geschäft in der Bahrenfelder Schützenstraße von Mitgliedern des rechtsterroristischen Netzwerk “Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU) ermordet. Zwei der Täter wurden beim Verlassen des Ladens von Süleyman Taşköprüs Vater gesehen. Die Polizei ignorierte jedoch die Aussagen des Vaters, dass es sich um blonde Männer handelte und suchte fast ausschließlich nach dunkelhaarigen Tätern eines sogenannten “südländischen Typs”. Zudem richteten die Hamburger Beamt*innen die Ermittlung ausschließlich gegen Süleyman Taşköprü, seine Familie und Umfeld, indem sie unterstützt von der Springerpresse und anderen haltlose Lügen und Falschdarstellungen verbreiteten. Wir wissen aus den bisherigen Untersuchungsausschüssen auf Bundes- und Länderebene, dass die Hamburger Ermittler*innen unter ihrem Ermittlungsleiter Felix S. in der bundesweiten Ermittlungsgruppe 2006 verhindern wollten, dass in Richtung rechts ermittelt wird. Dies widerspricht auch der Behauptung, in Hamburg gäbe es durch einen Untersuchungsausschuss nichts herauszufinden oder aufzuarbeiten.
Hamburg ist Tatortstadt – Hamburg ist Täter*innenstadt. Jedes Opfer rassistischen Terrors verdient lückenlose Aufklärung. Wir wollen wissen: Wer hat Süleyman umgebracht? Wer bereitete die Auswahl und die Durchführung des Mordes vor? Wie zerschlagen wir Hamburger Neonazinetzwerke? Wer verhinderte die Aufklärung? Wer sorgt dafür, dass von solchen Beamt*innen keine weitere Gefahr für Hamburgs Einwohner*innen ausgeht und der strukturelle Rassismus in Hamburger Behörden ernsthaft angegangen wird? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass sich der NSU niemals wiederholen kann und rechter Terror gestoppt wird?
Diese Fragen sind bis heute unbeantwortet. Wir werden diese Fragen in unserer Demonstration daher umso lauter stellen. Lasst uns von Altona zum Rathaus ziehen und zeigen – in Hamburg wird es keinen Schlussstrich geben.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft ist der erste Schritt zu einer Aufklärung des NSU-Komplexes in Hamburg. Sein Fehlen ist die politische Verachtung der Opferinteressen und es ist ein Skandal für die Hansestadt. Doch ein Untersuchungsausschuss wird nur ein erster Schritt sein. Wir müssen als Gesellschaft Rassismus als eines von vielen Machtverhältnissen endlich tiefgreifend angehen. Dies beginnt in staatlichen Einrichtungen, insbesondere wenn diese bewaffnet sind. Doch es meint jede Person dieser Gesellschaft.
Es ist unser aller Skandal die Rufe, Demonstrationen und Forderungen der Angehörigen nicht gesehen und gehört zu haben. Die Familien der Ermordeten haben den Rassismus immer wieder betont, wir haben es nicht gesehen und nicht gehört. Erst als drei Mitglieder des NSU sich vor 10 Jahren enttarnten schenkte ein Teil der Gesellschaft den Opfern und Angehörigen überhaupt Aufmerksamkeit. Ein gesellschaftlicher Aufschrei blieb aus, ebenso wie die notwendigen Konsequenzen. Es gibt viele Erfahrungen und Geschichten, viele Verletzungen, viele Wünsche und Bedürfnisse, viele Perspektiven der Betroffenen. Sie gilt es zu hören, aus der Vereinzelung zusammenzubringen, zu vernetzen und so Erinnerungspolitiken herauszufordern, als Kollektiv in der Vielfalt.
Wir müssen uns daher alle fragen – was können wir tun, um den NSU-Komplex aufzulösen, und um rechten Terror sowie strukturellen Rassismus zu stoppen? Ob der gewaltsame Tod von Yaya Jabbi, von William Tonou Mbobda, der Anschlag auf der Veddel, die AfD in den Parlamenten, die Drohungen von Franco A., des „NSU 2.0“, der Mord an Walter Lübcke, die Mordanschläge von Halle und Hanau – die Rechtsterrorist*innen haben ihren Taten nie ein Ende gesetzt. Sorgen wir dafür! Für eine solidarische, antirassistische Demonstration.
Süleyman Taşköprü – Kein Vergessen – Kein Einzelfall
Demonstration – Bahnhof Altona -19. Juni 2021 – 14 Uhr
„Auf unserer Demonstration gelten die üblichen Corona-Schutzmaßnahmen:
- Mund-Nasen-Schutz tragen
- Bei bekannten Krankheitssymptomen nicht an der Demo teilnehmen
- Abstand halten zu anderen Demoteilnehmenden
Die Demonstration wird in Blöcken zu 50 Personen laufen. Pro Block wird es 4 Ordner*innen geben, die auf Corona-Schuzmaßnahmen sowie Ablauf der Demo achten.
Als Vorbereitungskreis möchten wir, dass der inhaltliche Ausdruck der Demonstration im Vordergrund steht. Menschen sollen sich von der Demonstration angesprochen und nicht abgeschreckt fühlen. Wir wünschen uns, dass die Perspektiven von Überlebenden und Betroffenen rechten Terrors im Mittelpunkt der Demonstration stehen. Thematische Transparente, Schilder, Plakate und ähnliches sind sehr willkommen. Insbesondere im ersten Block bitten wir jedoch keine Fahnen oder Materialien mit Organisationslogos zu tragen. Wir bitten auf offizielle Parteiabzeichen auf unserer Demonstration insgesamt zu verzichten.“
Aktionsbündnis Hamburg nach Hanau
Initiativen, die den Aufruf unterstützen, schicken eine Mail an:
kontakt [ät] hbgr.org
Unterstützer*innen (Stand: 10.06.21):
Antifa United Hamburg
ASTA Uni Hamburg
Aufstehen gegen Rassismus Hamburg
Barmbeker Ini gegen Rechts
Billstedt und Mümmelmannsberg sind bunt
Bildungsinitiative Lernen aus dem NSU-Komplex (BiLaN)
Das Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen
Diaspora Verein Hamburg
DIDF Hamburg
DIDF-Jugend Hamburg
DIE LINKE Hamburg
DKP Hamburg
Fanladen FC St Pauli
FC St. Pauli Marathon Abteilung
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Fraktion Die LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft
Freundeskreis im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992
Gruppe für den organisierten Widerspruch (Grow)
Grüne Jugend Hamburg
Hamburger Bündnis gegen Rechts
Initiative Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark
Initiative in Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân
Initiative in Gedenken an Semra Ertan
Internationaler Jugendverein
Interventionistische Linke Hamburg
Kollektiv der Buchhandlung im Schanzenviertel
Netzwerk gegen Rechts Wilhelmsburg
Omas gegen Rechts Hamburg
Projekt Revolutionäre Perspektive (PRP)
SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V.
Seebrücke Hamburg
Streikbündnis 8.Mai
St. Pauli-Archiv
Ver.di AntiRa AK
Ver.di Hamburg
Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte Regionalgruppe Hamburg
VVN-BdA Hamburg