Hamburger Abendblatt, Christian Unger
Die Schwester des Hamburger NSU-Opfers erzählt im Brief an den Bundespräsidenten von der Zeit nach dem Mord. Gaucks Einladung lehnt sie ab.
Am 11. November 2011 klingelt Aysen Tasköprüs Telefon. Ein Arbeitskollege ruft sie an, er ist aufgeregt. "Aysen, mach sofort den Fernseher an!" Doch noch kommt sie nicht dazu. Wieder klingelt es, diesmal ist ein Beamter der Kriminalpolizei dran. Er hatte in dem Mord an Aysens Bruder Süleyman Tasköprü ermittelt. Und er sagt der Schwester, dass sich die Mörder ihres Bruders umgebracht hätten. Es ist der Tag, an dem sie auch erfährt, dass ihre Großmutter in der Türkei gestorben ist.
"Ich habe in dieser Nacht nicht geschlafen, ich musste mich ständig übergeben. Am nächsten Tag hätte ich Frühdienst gehabt, aber ich konnte nicht zur Arbeit gehen. Das Telefon klingelte ununterbrochen, Presse und Fernsehen wollten Interviews."
Aber Aysen Tasköprü wollte nur ihre Ruhe. So schreibt sie über den Tag, an dem die rechtsterroristische Gruppe des selbst ernannten "Nationalsozialistischen Untergrunds" aufflog. Am 11. November veröffentlichte die Bundesanwaltschaft eine kurze Mitteilung, in sprödem Amtsdeutsch. Doch die Nachricht schlug mit schrecklicher Wucht ein: Der Polizistenmord von Heilbronn und die über Jahre hinweg verübten Morde an acht türkischen und einem griechischen Ladenbesitzer – all das soll auf das Konto derselben rechtsextremistischen Täter gegangen sein.
Weiterlesen