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Mart-Jan Knoche, taz-nord
Historiker der KZ Gedenkstätte Neuengamme helfen Kindern und Enkeln von NS-Funktionären, die Taten ihrer Angehörigen während der NS-Zeit aufzuarbeiten. Die Seminare sind gefragt – und die ersten ihrer Art.
Der Abend dämmert schon, da verlassen zwei Dutzend Gestalten das einstige Konzentrationslager Neuengamme. Sie trotten über den Appellplatz, treten im Wind durch das Lagertor zu ihren Autos, die vor dem Jean-Dolidier-Weg 75 parken, und fahren davon. Still sind die Kinder und Enkel der Täter. Nach sieben Stunden ist ihr "Rechercheseminar zur Konfrontation mit Familiengeschichten" vorüber. Nur eine Teilnehmerin steht noch oben im Seminarraum und weint.
Oliver von Wrochem ist bei ihr. Der Gastgeber an diesem Herbsttag ist ein freundlicher dünner Herr in Sakko, Jeans und Schuhen mit silbernen Schnallen. An diesem Morgen um zehn hat er etwas Neues begonnen im deutschen Gedenkstättenwesen der Nachkriegszeit. Und um kurz nach fünf wartet nun die erste knifflige Aufgabe: Wie kann er die schluchzende Frau trösten? Wozu ihr raten, wenn der Vater ein SS-Mann war und dieses Erbe schwer erträglich ist? Er ist ja Historiker, kein Therapeut.

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