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von Hans-Joachim Meyer

Am 13. März 1920 putschte das Militär. Reichspräsident Ebert und die Regierung Scheidemann (SPD) flüchteten. Mit „Hakenkreuz am Stahlhelm“ und „schwarz-weiß-rotem Band“ marschierte die Marinebrigade Ehrhardt in Berlin ein. Es zeichnete sich eine neuartige Koalition ab, die später „Harzburger Front“ heißen sollte. Auf den Schild gehoben wurde ein völlig unbekannter Mann namens Kapp, treibende Kräfte waren jedoch Militärs wie Ludendorff und Lüttwitz.

Nach einem Generalstreik, der von den drei Arbeiterparteien SPD, USPD und KPD unterstützt wurde, war nach wenigen Tagen der Spuk zu Ende. Die von Wehrminister Noske (SPD) aus der Taufe gehobene Reichswehr hatte bei der Niederschlagung der revolutionären Arbeiterbewegung funktioniert, vor den Putschisten von Rechts gefiel sie sich in wohlwollender Zurückhaltung. Noske war, zu tiefem Bedauern seines Freundes Ebert, nun nicht mehr zu halten und musste seinen Hut nehmen.

Die Arbeiterstadt Harburg vor den Toren Hamburgs gehörte zu den wenigen Städten, wo die Putschisten nicht nur durch den Streik, sondern auch militärisch besiegt wurden. In der Nähe von Stade war ein Trupp „Baltikumer“ stationiert, reguläre Einheiten und Freicorps, die im Baltikum gegen die Sowjetmacht gekämpft hatten und nun demobilisiert werden sollten. Dieser Landsknechthaufen unter dem Kommando des Fliegerhauptmanns Berthold schloss sich dem Putsch an und setzte sich in Richtung Hamburg in Marsch. Als Berthold erfuhr, dass in Harburg die Kommandeure des dort stationierten Pionierbataillons verhaftet worden waren, beschloss er, zunächst hier „Ordnung zu schaffen“, und marschierte am Abend des 14. März in die Stadt ein. Der Zugang zur Kaserne wurde ihm jedoch verwehrt, seine Truppe musste in der Mittelschule in Heimfeld an der Woellmerstraße Quartier nehmen.

Am 15. März wurde die Schule von einer großen Zahl teils bewaffneter Arbeiter belagert. Es kam zu einer Schießerei, elf Arbeiter, ein Lehrling, ein Schüler und ein Soldat des Pionierbataillons wurden getötet. Auch auf Seiten der Baltikumer gab es Tote. Schließlich mussten die Putschisten kapitulieren. Berthold versuchte wohl zu fliehen, wurde aber entdeckt und von der Menge gelyncht.

Die Nazis machten Berthold zum Märtyrer. Alljährlich fanden im März in Harburg pompöse Berthold-Feiern statt. In den Kämpfen nach der Novemberrevolution hatten Offiziere Tausende von Arbeitern erschossen. Dass es auch mal umgekehrt kommen konnte, hat das konservative Harburg dem „roten Pöbel“ bis heute nicht verziehen.

Zur Erinnerung an den Putsch und den gelungenen Generalstreik vor 90 Jahren finden in Harburg Veranstaltungen statt. Die Harburger VVN-BdA hat dafür zu einem „Ratschlag“ eingeladen. Näheres ist bei der VVN-BdA zu erfahren.