scharf-links, Frank Behrmann
Bislang hielt sich die Führung der Alternative für Deutschland (AfD) zurück, wenn es darum ging, die zahlreichen rechten Demonstrationen und Kundgebungen, die im letzten halben Jahr wie Pilze aus dem Boden schossen, zu bewerten oder zu bewerben. Das ist jetzt vorbei! Selbst Bernd Lucke, der sonst immer um seine bür- gerliche Reputation besorgt ist, begrüßte die Dresdner Pegida-Demos.
Die Basis ist begeistert, denn endlich beginnt der Bundesvorstand eine Politik voranzu- treiben, die sie sich wünscht. Jetzt muss keine Rücksicht mehr auf eine kritische Medi- enöffentlichkeit genommen werden, und es kann „frei von der Leber weg“ gegen Aus- länderInnen und insbesondere Moslems und Flüchtlinge gewettert werden. Da braut sich etwas zusammen!
Schon zuvor waren AfD-Mitglieder an sämtlichen Aktionen dieser neuen rechten Demo- Bewegung beteiligt. Ob bei der Organisation der anti-aufklärerischen und homophoben „Demos für alle“ in Stuttgart und Hannover gegen Schulbildungspläne, die nicht mehr nur die klassische Familie als Ideal verkaufen.
Oder gegen eine Abtreibungsklinik in Stuttgart.
Bei den diversen „Friedensmahnwachen“, die irgendwo zwischen besorgten Menschen, Putin-Fans und Reichsbürgern zu verorten sind. Bei der Dresdner Pegida sowieso, die sich vorgeblich gegen die Islamisierung durch die 0,1 Prozent Moslems in Sachsen weh- ren. Sogar bei den Hogesa-Demos in Köln und Hannover. (1)
Zu Letzteren gab es einen eindeutigen Vorstandsbeschluss, in dem die AfD ihren Mitglie- dern mit Ordnungsmaßnahmen bis hin zum Parteiausschluss droht, wenn sie sich daran beteiligen oder dafür werben. Der Beschluss war allerdings nach der Regensburger Klau- surtagung Makulatur, auf der sich die Parteirechte um Alexander Gauland und Frauke Petry durchgesetzt hatte. (2) Alexander Heumann, Vorsitzender der rechtesten Par- teifraktion Patriotische Plattform, redete sogar auf der Hannoveraner Kundgebung – ohne jede Konsequenzen.
Diese parteiinternen Streitigkeiten dürften Ge- schichte sein, nachdem sich Bernd Lucke dem Druck gebeugt hat und Pegida für unterstütz- enswert erklärte. Die Demos zeigten, „dass sich diese Menschen in ihren Sorgen von den Politi- kern nicht verstanden fühlten“. Und die „Sorgen über eine Ausbreitung von radikalem islamisti- schen Gedankengut“ seien berechtigt. Angehängte Warnungen, nicht in „eine ablehn- ende Haltung gegenüber dem Islam als Religion“ zu münden, dienen genauso nur der Image-Wah- rung wie seine Mahnung zu Religionsfreiheit und Toleranz (3) – mit der Realität von Pegida hat das nicht zu tun.
Zuvor hatte Konrad Adam bekannt gegeben, dass die AfD-Führung ihre Skepsis gegenüber Pegida aufgegeben habe. Er selbst sei für Pegida, denn die „kulturell-historische Dimension ist mir wichtig. Ich bin ein Liebhaber der europäischen Kultur und schätze besonders die Literatur. Ich bin stolz drauf, was für einen Beitrag Europa zur Menschen- und Grundrechtsdebatte geleistet hat. Dieses Erbe möchte ich verteidigen.“ (4)
Da reibt man sich verwundert die Augen:
Diese Ansammlung ressentimentgeladener WutbürgerInnen in Dresden ist angetreten, um die europäische Kultur, ihre Literatur und ihre Werte zu verteidigen?
Einzig Hans-Olaf Henkel möchte die bürgerliche Fassade wahren, er „sieht die ‚Pegida’-Proteste mit größerer Skepsis. Es sei nicht auszuschließen, dass die Proteste ‚einen ausländerfeindlichen oder gar rassistischen Beigeschmack bekommen’“. (5)
Damit endet vorerst ein langes und zähes Ringen um die Ausrichtung der AfD. Der rechtspopulistische Flügel, der insbesondere mit der Angst vor MigrantInnen Politik machen will, hat sich vollumfänglich durchgesetzt.
Es kann durchaus sein, dass Bernd Lucke aus taktischen Gründen „mit den Wölfen heult“. Denn nur, wenn er der Basis entgegen kommt, hat er eine Chance, auf dem Bremer Parteitag Ende Januar als neuer alleiniger Vorsitzender installiert zu werden.
Und vielleicht glaubt er, das Steuer dann noch einmal herumreißen zu können. Denn eine Teil- habe an politischer Macht wird mit einer rechts- populistischen Krawalltruppe, zu der die AfD vor unseren Augen mutiert, nicht zu haben sein.
Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass es kein Zurück mehr gibt. Das würde bedeuten, Lucke stünde vor der Entscheidung, Vorsitzender und Gesicht einer Partei zu bleiben, deren Ausrichtung er im Grunde nicht teilt, oder sich sang- und klanglos zurückzuziehen.
Unabhängig davon, wie dieses Ringen ausgeht, ist die Entwicklung der AfD brandge- fährlich für die weitere politische und gesellschaftliche Entwicklung. Denn was der der- zeitigen Demonstrationsbewegung einer diffusen Rechten fehlt, ist ein organisierendes Zentrum. Hier könnte die AfD dieser Bewegung katastrophale Dienste leisten, um eine rechte Demo(un)kultur anzuschieben und zu etablieren.
Viele ihrer Mitglieder und regionalen FunktionärInnen stehen dafür bereits in den Start- löchern. Der „Marschbefehl“ sei erteilt, frohlockte ein AfD-Anhänger auf Facebook!
(1) Zu Pegida und Hogesa: BürgerInnen gegen extreme Rechte:
www.scharf-links.de/46.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=48657&tx_ttnews[backPid]=3&cHash=0858e76d40
(2) Zu der Klausurtagung und ihren Auswirkungen:
www.scharf-links.de/46.0.html?&tx_ttnews[pointer]=3&tx_ttnews[tt_news]=48294&tx_ttnews[backPid]=3&cHash=030fe4a89e
(3) Handelsblatt online, 9.12.14
(4) n-tv online, 9.12.14
(5) Handelsblatt online, 9.12.14
Quelle