Quelle: Indymedia, von Felix Krebs
Bekanntlich hat die NPD den so genannten „Deutschlandpakt“ mit der DVU Anfang Juli aus machtpolitischen Gründen aufgekündigt. Dieses hat auch in Hamburg entsprechende Konsequenzen, wo nun beide neofaschistischen Parteien mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen zur Bundestagswahl antreten. AntifaschistInnen sollten sich der zu erwartenden Nazi-Propaganda im Wahlkampf entgegenstellen und entsprechend vorbereiten.
Das Ende einer Vernunftehe
Der 2004 verabredete Deutschlandpakt sollte ursprünglich Konkurrenzkandidaturen der beiden neofaschistischen Parteien verhindern. In den letzten Jahren profitierte allerdings vor allem die NPD von dem Pakt, welche nun in Sachsen und MVP in den Landtagen sitzt und in vielen Kreistagen Mandate dazu gewinnen konnte. Die DVU schaffte zwar mit Unterstützung durch NPD-WahlhelferInnen den Wiedereinzug in den Landtag von Brandenburg, fuhr sonst aber Verluste ein und musste auf Drängen der NPD auch den Deutschlandpakt nach verhandeln. Nach dem katastrophalen Ergebnis der DVU bei der Europawahl, bei der sie nur 0,4% der Stimmen und damit nicht einmal Wahlkampfkostenerstattung bekam, sah die NPD nun ihre Stunde gekommen den lästigen Partner loszuwerden.
Die NPD behauptete die DVU hätte keinen ordentlichen Europawahlkampf geführt, hätte deshalb nicht ihre Pflichten im Deutschlandpakt eingehalten und sei somit vertragsbrüchig. Deshalb würde nun die NPD zur Landtagswahl in Brandenburg, die zeitgleich mit der Bundestagswahl am 27. September 2009 stattfindet, antreten – die DVU müsse auf den Wahlantritt verzichten. In die Enge getrieben blieb dem DVU-Vorsitzenden Matthias Faust nichts anderes übrig als von der NPD ihrerseits zu verlangen auf die Kandidatur in Brandenburg zu verzichten, sonst werde die DVU zur Bundestagswahl antreten und der NPD damit empfindlich schaden. Da die NPD wesentlich bessere Chancen hat und personell deutlich besser aufgestellt ist, beharrte der NPD-Vorsitzende Voigt auf seiner Position – der Deutschlandpakt ist somit Geschichte. Sowohl NPD als auch DVU sind inzwischen vom Bundeswahlausschuss zur Bundestagswahl zugelassen worden.
Die DVU in Hamburg
Die DVU muss nun schleunigst ihre Bundes- und Landeslisten zur Bundestagswahl aufstellen. In Hamburg fand deshalb am 20. Juli ein Landesparteitag statt um die Hamburger KandidatInnen aufzustellen. Riedels Eck, eine kleine, biedere Nazi-Kneipe im Stadtteil Bramfeld, war der Versammlungsort. Obwohl Matthias Faust, nicht nur Bundes-, sondern auch Landesvorsitzender, in der Einladung großspurig von „Erneuerung“ der Partei schrieb und mit dem Parteitag ein „deutliches Zeichen“ setzen wollte, blieb die Beteiligung mäßig. Wohl zwei Dutzend meist ältere Damen und Herren kamen.
Dies verdeutlicht das größte Problem der DVU, nicht nur in Hamburg. Die Partei hat keine aktiven Mitglieder, die einen Wahlkampf führen können. Auf die Unterstützung durch NPD-Mitglieder und vereinzelte Kameradschafter, wie noch zur Bürgerschaftswahl im Februar 2008, wird die DVU diesmal natürlich verzichten müssen. Auch zwei weitere Trümpfe, welche der DVU in den 90er Jahren gute Wahlergebnisse bescherten, stechen nicht mehr:
Seit es kein Postmonopol mehr gibt, ist kein Unternehmen verpflichtet Wahlwerbung zuzustellen – früher gelangte DVU-Propaganda fast in jeden Haushalt. Und auch die Finanzquellen von Multimillionär Gerhard Frey scheinen nicht mehr zu sprudeln. Seitdem der frühere Partei-Patriarch im Januar dieses Jahres überraschend seinen Vorsitz an den Hamburger Matthias Faust abtrat, fehlen wohl auch erhebliche Mittel im Wahlkampf. Sogar das politische Interesse an der DVU scheint bei Frey nachgelassen zu haben. In der Nationalzeitung, die immer noch von Frey herausgegeben wird, finden sich kaum noch Artikel über die DVU. Ob das DVU-Neumitglied Patrick Brinkmann, Millionär aus Schweden, tatsächlich neuer Mäzen der Partei wird, bleibt abzuwarten – Wer setzt schon gerne auf einen sterbenden Gaul?
Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar 2008 erreichte die DVU mit 0,8% nicht einmal die Hürde der Wahlkampfkostenerstattung. Bei der geschilderten Ausgangslage, dürften die Stimmen zur Bundestagswahl noch weniger werden. Die DVU wird also aus antifaschistischer Sicht in Hamburg, wie auch bundesweit, kaum eine Gefahr darstellen.
Mit Rieger gestärkt in den Wahlkampf – die Hamburger NPD
Anders gelagert ist die Situation bei der Hamburger NPD. Sie ist deutlich jünger, aktiver und radikaler und es ist nicht auszuschließen, dass der Landesvorsitzende und Millionär Jürgen Rieger den Bundestagswahlkampf aus seiner Privatschatulle mitfinanziert. Die NPD veranstaltete am 5. Juli ihren Landesparteitag um den Landesvorstand neu zu wählen. Die Beteiligung war besser als bei der DVU. Das Ergebnis verdeutlicht, dass die Hamburger NPD geschlossen hinter dem neonazistischen Kurs von Rieger steht. Der Rechtsanwalt wurde ohne Gegenstimmen und bei nur einer Enthaltung (wohl der eigenen) gewählt. Bei seinem Amtsantritt im Februar 2007 hatte er noch 3 Gegenstimmen. Auch der übrige Vorstand blieb im Wesentlichen der alte und bestätigt die Geschlossenheit des Landesverbandes. Die NPD gibt zwar keine Namen an, es ist aber davon auszugehen, dass auch weiterhin vorbestrafte Aktivisten aus verbotenen Kameradschaftsstrukturen im Landesvorstand vertreten sind.
Über ihre Landesliste hatte die Hamburger NPD schon auf einem früherem Parteitag abgestimmt – Spitzenkandidat ist Jürgen Rieger, die übrigen Kandidaten in den 6 Wahlkreisen sind noch unbekannt. Bei der letzen Wahl zu der die NPD in Hamburg antrat, der Bundestagswahl 2005, fuhr die Partei ihr bestes Ergebnis seit 1969 in der Hansestadt ein: rund 10.000 HamburgerInnen wählten neofaschistisch.
Es ist davon auszugehen, dass die NPD hoch motiviert in den Wahlkampf ziehen wird. Unterstützung aus parteifernen Strukturen der Kameradschaften und rechter Subkultur kann ihr ebenfalls gewiss sein. Seit dem Amtsamtritt von Jürgen Rieger setzt der Landesverband hauptsächlich auf kontinuierliche Propaganda in den Stadtteilen. Die geschieht vor allem mittels Infoständen, seit Anfang 2006 hat die Partei in Hamburg gut 100 Infostände, meist ohne Proteste, durchgeführt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Flugblattverteilungen.
Aufgaben der AntifaschistInnen
Um die Verbreitung neofaschistischer Propaganda nicht tatenlos zu zusehen hat das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ eine Kampagne unter dem Namen „Aktion Brauner Sack – Nazipropaganda gehört in den Müll“ gestartet. Auf der Homepage www.keine-stimme-den-nazis.org finden sich ausführliche Informationen wie:
-Der Aufruf zur "Aktion Brauner Sack".
-Ein Flugblatt, welches bei Naziständen verteilt werden kann.
-Hinweise auf eine "Aktionstüte" mit Info-Material und Antifa-Mülltüten.
-Eine Hamburg-Karte, mit den Orten wo die NPD 2006-2009 Infostände gemacht hat.
-Einen SMS-Verteiler, in den sich jede(r) eintragen kann, um über Infostände und andere Aktionen der Nazis informiert zu werden.
Besonders der SMS-Verteiler soll es allen Menschen ermöglichen an Protesten gegen Nazis teilzunehmen.
Ob sich die NPD in Hamburg weiter als Kristallisationspunkt neofaschistischer Politik konsolidieren kann, ihre Wahlerfolge sogar gegenüber 2005 ausbauen kann, oder ob ihr ein Dämpfer verpasst werden kann, wird auch davon abhängen, ob Hamburger AntifaschistInnen gemeinsam und entschlossen ihrer Propaganda im Wahlkampf entgegentreten werden.