Lokalberichte Hamburg 13/09, von Lothar Zieske
Ein Bericht über das gemeinsame Konzert von Esther, Joram und Edna Bejarano mit "Microphone Mafia" in der DWP (ehemals Hochschule für Wirtschaft und Politik) am 26. Juni 2009
Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der BRD, hat mit ihren Kindern Joram und Edna von ihrer Gruppe “Coincidence” und den Rappern von „Microphone Mafia“ aus Köln eine CD aufgenommen, die zu ihrem Konzert am 26. Juni in der „HWP“ (jetzt: DWP) gerade erschienen war.
Für die Werbung stand nur eine extrem kurze Zeit von etwa drei Wochen zur Verfügung; das Konzert sollte möglichst zeitnah zum Erscheinen der CD und vor allem noch vor der Sommerpause stattfinden.
Zweifelnden Stimmen, auch von Komiteemitgliedern, hatte Esther Bejarano ihren bisweilen unerwarteten, dann aber auch unerschütterlichen Optimismus entgegengesetzt, der auch die Zögernden mitriss. Und dieser Optimismus sollte sich als gerechtfertigt erweisen.
Doch zurück zu den Anfängen: Als Esther Bejarano vor einiger Zeit zum ersten Mal von ihrem Projekt berichtete, zusammen mit jungen Männern, die ihre Enkel sein könnten, eine CD aufzunehmen, war ihre Begeisterung deutlich spürbar. Esther Bejarano wirkt zwar trotz ihres fortgeschrittenen Alters jugendlich, jedoch jugendlicher Leichtsinn ist ihr nicht vorzuwerfen. Und so war auch in diesem Fall ihre Begeisterung – falls dies von einem Gefühl gesagt werden kann – begründet. Die jungen Leute von „Microphone Mafia“ waren von der Musik der Bejaranos begeistert gewesen und hatten gern mit ihr zusammenarbeiten wollen. Grundlage dieser Zusammenarbeit war außer der – entgegen dem „Ohrenschein“ – musikalischen Nähe die allseitige Überzeugung, gemeinsam etwas zu unternehmen, um dem Einfluss der „Schulhof“- CDs, mit denen die NPD unter Jugendlichen um Einfluss wirbt, etwas entgegenzusetzen. Das Projekt erweiterte sich, als die junge Wissenschaftlerin Katharina Obens hinzukam, die die Generationen übergreifende musikalische und politische Zusammenarbeit der Bejaranos mit „Microphone Mafia“ – u.a. durch einen Film – dokumentierte.
Das Projekt stand also auf soliden Füßen, und alle, die von der politischen Zielrichtung erfuhren, waren erstaunt über die Idee und zugleich von ihr begeistert.
So war es dann doch vielleicht nicht verwunderlich, dass Esther Bejaranos Optimismus sich als begründet erwiesen hatte und der Hörsaal der „HWP“ am vergangenen Freitag fast so gut gefüllt war wie bei den Veranstaltungen des Auschwitz-Komitees zum Gedenken an den 9. November 1938, in deren zweitem Teil die Gruppe „Coincidence“ zu spielen pflegt.
Wer in das Konzert gekommen war, um etwas Ähnliches wie bei diesen Veranstaltungen zu erleben, musste sich ein wenig umstellen, denn der Rahmen unterschied sich schon sehr. Das begann schon damit, dass nach Esther Bejaranos einführenden Worten „Microphone Mafia“ das Publikum fragte: „Geht’ s euch gut?“, und sich mit einem einigermaßen lauten „Ja!“ nicht zufrieden gab. Nun stieg sicher bei etlichen der Zuhörenden die Spannung angesichts der Frage, wie die beiden Gruppen miteinander harmonieren würden. Ich hatte, wie andere auch, erwartet, dass die beiden Gruppen sich abwechseln würden, und erlebte eine nicht geringe Überraschung: „Microphone Mafia“ begann mit ihrem Rap, und dann setzten – in einer bemerkenswert liebevollen Choreographie – Esther und Edna Bejarano mit ihrem Gesang ein. Ich war überrascht, wie gut sie sich mit dem für sie neuen Klanghintergrund zurechtfand. Die Musik beider Gruppen harmonisierte auf erstaunliche Weise. (Hierzu trug sicherlich die persönliche Nähe zwischen den Beteiligten bei: „Signore Rossi“ von „Microphone Mafia“ gestand dem Publikum, dass er zur Zeit häufiger mit Esther und Edna Bejarano telefoniere als mit seiner Mutter.)
Natürlich eignet sich nur ein Teil des Repertoire der Bejaranos für die gemeinsame musikalische und textliche Bearbeitung – grob gesagt, die weniger lyrischen Stücke; und solche wurden fast ausnahmsweise für die CD ausgewählt. Die Melodie einer Vertonung eines Gedichts Nazim Hikmets war eigens geändert worden, um in den musikalischen Rahmen zu passen. Besonders gut passend erschien mir das griechische Lied, das von der Gefangenschaft Mikis’ Theodorakis’ in der Zeit der Militärjunta handelt, oder das Hanns Eislers von der „Judenhure Marie Sanders“.
Während des Konzerts begann der Saal zunehmend stärker zu toben. Das Konzert endete mit standing ovations, und statt einer Zugabe veranlasste „Microphone Mafia“ das Publikum, ihre Fassung von „Bella Ciao“ mitzusingen.
Lothar Zieske