Hamburger Abendblatt, von Christian Unger (23.06.12)
Gülistan und Ramazan aus der Türkei lernen einander beim Putzen kennen. 1985 schlagen Skinheads Ramazan am S-Bahnhof Landwehr tot.
Manchmal bekommt Gülistan Nasenbluten von den Dämpfen der Putzmittel. Spätsommer 1984, ein Bürohaus in Wandsbek, zweite Etage. Die Gummihandschuhe kleben an ihren Händen, mechanisch wischt sie über die Schreibtische. Mit ihrem Vater und den Brüdern war Gülistan nach Hamburg gezogen, wo es bessere Jobs und besseres Geld gibt. Zum Arbeiten,
sagen
die Männer, seien sie aus ihrer Heimat nach Deutschland
gekommen. Also saugt Gülistan über fremde Teppiche, leert Mülleimer aus, putzt Klos. Sie weint viel in dieser Zeit.Gülistan, 22 Jahre alt, ist eine schöne Frau, sie hat langes schwarzes Haar, hohe Wangenknochen. Doch von Liebe will sie nichts wissen in diesen Wochen in Hamburg, der Stadt, in der sie die Verkehrsschilder nicht versteht und keine Freunde hat. Doch Gülistan wird diese Stadt in ihr Herz schließen. Weil sie hier den Mann ihres Lebens findet.Und sie wird an dieser Stadt zerbrechen. Weil der Hass, der in dieser Stadt wohnt, ihr das Liebste nimmt.