Uncategorized

Rückblickend ein Bericht über die Gedenkveranstaltung zu den Euthanasieopfern am 16. August 2009 auf dem Ohlsdorfer Friedhof, von Lothar Zieske (Lokalberichte 17/09)

Bisweilen erweist es sich, dass eine Veranstaltung, die auf den ersten Blick recht klein erscheint, doch Mut machen kann. Das gilt jedenfalls für das Gedenken an die Opfer der Euthanasie, zu dem die VVN-BdA am Sonntag, 16.August, auf dem Ohlsdorfer Friedhof aufgerufen hatte. Etwa 40 Personen waren am Gräberfeld der Geschwister-Scholl-Stiftung versammelt – an einem schönen, schon fast drückend heißen Sommertag, der einige der Teilnehmenden drängte, den Schatten aufzusuchen. Dieser Sommertag mag vielleicht – wie eine Rednerin vermutete – äußerlich einem anderen vor genau 66 Jahren geglichen haben, dem 16. August 1943. Doch dieser Sommertag wurde dadurch für immer verdunkelt, dass etwa 300 Frauen und Mädchen aus den Alsterdorfer Anstalten und aus Ochsenzoll nach Wien deportiert wurden, wo die meisten von ihnen getötet wurden. Sie fielen der faschistischen Ideologie vom „lebensunwerten Leben“ zum Opfer, mit der noch einer der Redner – der Bezirksabgeordnete der LINKEN in Hamburg-Nord, Jupp Peine – als Schüler im Mathematikunterricht traktiert worden war. (Muster: „Wie viele Ehestandsdarlehen für gesunde Familien können von dem Geld ausgegeben werden, das die Pflege eines ‚Schwachsinnigen’ kostet?“)


Wichtig war vor allem, dass die deportierten Frauen und Mädchen nicht nur als Objekte von NS-Verbrechen behandelt, sondern als eigenständige Menschen mit Namen und persönlichen Äußerungen vorgestellt wurden: Abgesehen davon, dass die Gedenkveranstaltung vor dem Stein stattfand, auf dem die Namen und Lebensdaten von zehn ermordeten Hamburger Mädchen und Frauen stehen, kamen einige von ihnen exemplarisch zu Wort: Eine Vertreterin der Alsterdorfer Anstalten, die Pastorin Hilke Osterwald, verlas die sehr konkreten Erinnerungen einer Frau, die die Deportation nach Wien überlebt hat und im vorigen Jahr verstorben ist, und am Schluss trug Antje Kosemund den Brief eines 15jährigen Mädchens vor, den dieses aus der Wiener Anstalt nach Alsterdorf geschrieben hatte. Die schlichten Worte, die eine schreckliche Realität wiederzugeben versuchten, gingen zu Herzen. Dieses Mädchen gehörte zu denen, die nicht überlebten.

Antje Kosemund ist eine der Persönlichkeiten, die sich das Gedenken an diese Gruppe aus den früher als „vergessene Opfer“ des Faschismus Bezeichneten seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht und in Zusammenarbeit mit anderen auch bemerkenswerte Erfolge erzielt hat, von denen sie einige mit berechtigtem Stolz erwähnte: Die sterblichen Überreste der in Wien getöteten Frauen und Mädchen (zu denen auch ihre Schwester Irma gehörte) wurden nach Hamburg gebracht; in Hamburg wurde dann die Gedenkstätte gestaltet, an der die Veranstaltung stattfand. Und in Wien konnte erreicht werden, dass die „Gehirnsammlung“ aufgelöst und eine würdige Gedenkstätte für die Ermordeten errichtet wurde.

So muss man nicht mehr von „vergessenen Opfern“ des Faschismus sprechen, wenn man die Hamburger Opfer der Euthanasie meint. Das erfolgreiche Bemühen, deren Gedächtnis wach zu halten, führt andererseits auch dazu, dass sich an den Gedenkfeiern immer mehr Menschen beteiligen.

Dass die Erinnerung an die faschistischen Verbrechen – und zwar so konkret wie möglich – angesichts der nicht abreißenden Provokationen von Neonazis wichtig ist, hatte schon Ilse Jacob, die Tochter des ermordeten Widerstandskämpfers Franz Jacob, in ihrer Ansprache betont, mit der die Veranstaltung eröffnet worden war (Lothar Zieske)