Hamburger Abendblatt (18.10.11), von Andreas Schmidt
Ludwig Baumann ist der letzte noch lebende Deserteur der Wehrmacht. In Harburg hält er einen Vortrag über sein bewegendes Schicksal.
Harburg. "Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben" – diese Worte Adolf Hitlers wurden
jedem
deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg unablässig eingehämmert. Es drohte standrechtliche Erschießung oder die Versetzung in eine Strafkompanie, was einem Todesurteil gleich kam. Für die Wehrmachtsjustiz war Hitlers Satz richtungweisend. Mehr als 20 000 Menschen fielen von 1939 bis 1945 ihrer inhumanen Rechtsprechung zum Opfer. Ihnen ist die Ausstellung "Entfernung von der Truppe – Kriegsdienstverweigerung und Desertion im Dritten Reich" gewidmet, die während der "Harburger Gedenktage 2011" ab heute bis zum 15. November, in der Harburger Bücherhalle, Eddelbüttelstraße 47a, zu sehen ist.
Zum Auftakt des Programms wird Dr. Detlef Garbe, der Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, in seiner Eröffnungsrede heute um 19 Uhr in der Harburger Bücherhalle auch auf das Schicksal dreier Harburger Opfer der NS-Militärjustiz eingehen: Karl Tibbert wurde am 20. April 1945 auf dem Truppenübungsplatz Höltigbaum in Hamburg-Rahlstedt im Alter von 40 Jahren als Deserteur erschossen. Kurt Johannes war 23 Jahre alt, als sein Leben sechs Tage später im Kugelhagel des Erschießungskommandos am selben Ort endete. Heinz Dreibrodt hatte als 16-Jähriger mehr Glück: Am 3. Mai 1945 wurde er von britischen Truppen aus dem Versteck befreit, in dem er die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs verbracht hatte, anstatt nach einem Kurzurlaub zu seiner Volkssturmeinheit zurückzukehren.