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INTERVIEW MIT DER SCHWESTER EINES EUTHANASIE-OPFERS

Antje Kosemund hat mehr als 20 Jahre lang Informationen über das Schicksal ihrer Schwester Irma Sperling gesammelt, die als geistig behindertes Kind nach Wien deportiert wurde.

taz: Frau Kosemund, Ihre Schwester Irma wurde dreimal begraben. Wie kam es dazu?

Antje Kosemund: Ihr Körper wurde 1944 in einem Massengrab in Wien verscharrt, nach dem sie in der berüchtigten "Kinderfachabteilung ,Am Spiegelgrund'" in Wien ermordet worden war. Ihr Gehirn, das für medizinische Versuche präpariert wurde, ist 1996 in Hamburg begraben worden. Und im Herbst 2002 wurde in einem Institut in Wien eine weitere Gehirnscheibe von ihr gefunden. Dieser sterbliche Überrest wurden 2002 in Wien beigesetzt.

Ihre Nachforschungen über das Schicksal Ihrer Schwester haben mehr als 20 Jahre gedauert.

Ich wollte wissen, was mit ihr und den anderen Kindern geschehen ist. Wie kann es angehen, dass Ärzte sich so prostituieren, dass sie Tausende Menschen ermorden? Als ich dann erfahren musste, dass die Wahrheit über die Morde auch nach dem Krieg noch verschleiert wurde, bin ich zornig geworden. Nach dem Krieg hat niemand nach den Euthanasie-Opfern gefragt. Wo sind die geblieben? Das wurden jahrzehntelang verschwiegen. Sie sind wieder als unwertes Leben behandelt worden. Für mich ist dieses Umgehen mit der Geschichte wie eine zweite Verfolgung.

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