Junge Welt
8. Mai 1945 – Tag der Befreiung. Chance für Frieden und Demokratie in Europa« – Hamburger Erklärung zum 8. Mai 2015:
Am 8. Mai 1945 wurde nahezu ganz Europa von Faschismus und Krieg befreit. In Deutschland erlebten in erster Linie die überlebenden Verfolgten und Widerstandskämpfer diesen Tag als Befreiung. Aber auch wir alle, die wir heute leben, verdanken die Chance eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegern des 8. Mai. Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte, sind und bleiben auch unsere Befreier. Mit besonderer Dankbarkeit erinnern wir an den Beitrag, den der deutsche antifaschistische Widerstand in Deutschland, in der Emigration, als Teil von Partisanenverbänden und in den Streitkräften der Antihitlerkoalition geleistet hat.
Mehr als 55 Millionen Menschen fielen Naziterror, Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer. Sie bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid und ihrem Leben. (…) In nahezu allen ehemals von Nazideutschland besetzten Ländern wurden der 8. und/oder 9. Mai gesetzliche Feiertage, das war auch in der DDR der Fall. Genau 40 Jahre hat es gedauert, bis ein Präsident der Bundesrepublik an einem 8. Mai von Befreiung gesprochen hat. Bis dahin hatte die Sicht der Nazis, der Deutsch-Nationalen, der »Frontkämpfer«, der Profiteure, Mitläufer und Zuschauer das offizielle Vokabular geprägt: Zusammenbruch, Kapitulation, Niederlage, Besatzer, Neubeginn. Mit Weizsäckers Rede wurde die Perspektive der Verfolgten des Naziregimes »gesellschaftsfähig«.
Der Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der kriegführenden Länder stellt einen Bruch mit dem Nachkriegskonsens »Es soll nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen« als wichtigste Lehre aus der jüngeren deutschen Geschichte dar. In vielen Ländern der Welt, im Irak, in Syrien, in der Ukraine und in weiten Teilen Afrikas toben Kriege. Wieder sind deutsche Waffen – und oft auch deutsches Militär – beteiligt. Die Bereitschaft, »deutsche Interessen« erneut mit militärischen Mitteln durchzusetzen ist in Regierung und Bundestag gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung wieder politische Praxis geworden.
Gerade darum wollen wir den Tag zum Feiertag machen, den die Überlebenden als »Morgenröte der Menschheit« erlebt haben, wie es der als Jude und Kommunist verfolgte Résistance-Kämpfer Peter Gingold ausgedrückt hat. Wir wollen am 8. Mai vor allem an die Hoffnung der Befreiten auf eine Welt ohne Kriege, Elend und Unterdrückung erinnern und diese als Impuls nehmen, weiter an der Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit zu arbeiten, so wie es die befreiten Häftlinge von Buchenwald geschworen haben. (…)
Erstunterzeichner: VVN-BdA Hamburg; Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V.; ver.di AntiRA; Deutscher Freidenker-Verband, Landesverband Nord e. V.; DKP Hamburg; Bündnis für ein Hamburger Deserteursdenkmal; Hamburger Bündnis gegen Rechts; Lese-Zeichen Hamburg; Initiative MIR; Barmbeker Initiative gegen Rechts; Bürgerinitiative Glinde gegen Rechts; AG Gedenken Bergedorf; Antifaschistisches Bündnis Bergedorf; Motorradclub Kuhle Wampe; AK Denk-Mal; Mechadasch Hamburg; Die Linke, Landesverband Hamburg; Landesverein der Sinti in Hamburg e. V.
Quelle